26.07.2007 | 10:31 | Anderswo | Supertiere | Alles wird besser
 Tote Maulwürfe werden von ihren Verwandten feierlich enterdigt. (Foto: Kathrin Passig)Die Menschheit im Allgemeinen und die Menschen im Speziellen sind viel zu sehr auf die Erdoberfläche fixiert, ein Irrweg, der uns noch einiges kosten könnte. Warum nur, fragt man sich. Finden sich doch die meisten tollen Dinge unter der Erde (Erdöl, Grundwasser, Piratenschätze, Zwerge), während die meisten schlechten über ihr liegen (Wüsten, Mücken, telefonischer Kundendienst). Ausserdem besteht die Erde aus viel mehr Innerem als Äusserem, ein Fakt, der häufig verschwiegen wird. Was hätte uns erspart werden können, wenn Hitler rechtzeitig auf den massiv vorhandenen Lebensraum unter Bayern und Schlesien aufmerksam gemacht worden wäre? Kriege, womöglich! Doch ein Umdenken ist in Sicht: In Osnabrück wurde vor ca. einem Monat der Grundstein zu einem unterirdischem Zoo gelegt, der "in Art und Grösse weltweit einmalig" sein soll. Na also. Ab 2009 gibt es dort dann also Präriehunde, Feldmäuse, Graumulle, Erdhummeln und Maulwurfsgrillen für alle, später voraussichtlich auch Maulwürfe. Noch später vielleicht sogar Erdferkel. Und Sternmulle. Hmmm, Sternmulle.
25.07.2007 | 23:48 | Nachtleuchtendes
 Offenbar kann man in Alaska Zodiakallicht sehen – könnten aber auch billige Nordlichter sein. (Foto, Lizenz)Den meisten ist er nur als der schwarzgelockte Jüngling bekannt, der sich aus dem Kaminholz seiner Eltern eine Gitarre baute, die dann so artifiziell klang, dass man jahrelang and no one played synthesizer auf die Platten drucken musste. Bevor es allerdings zu irgendwelchen Platten kam, arbeitete Queen-Gitarrist Brian May als Astronom, wie es glitzy in allen Dokumentationen steht*, und zwar an der Erforschung des Zodiakallichts, also dem Licht, das von Staubteilchen im Sonnensystem reflektiert wird (siehe eine seiner beiden Publikationen). Dieser interplanetare Staub, gebildet durch Kollisionen von Kleinkörpern und anderen Unfug, ist neuerdings wieder einigermassen interessant geworden, zum Beispiel in der Diskussion um exozodiakale Wolken, aber das würde hier usw.
Brian May jedenfalls, nach 36 Jahren Arbeit in der freien Wirtschaft, kehrt nun, im Alter von 60 Jahren, reumütig zu Mutter Academia zurück und beendet demnächst seine Dissertation**. Dann wissen wir zumindest, vielleicht, wie zodiakale Staubwolken entstehen, die nicht exo sind. Wie jeder andere vernünftige Doktorand der Astronomie hat auch May vor der wissenschaftlichen Karriere erstmal ein grössenwahnsinniges Buch geschrieben, und zwar zusammen mit dem mindestens genauso berühmten Sir Patrick Moore, der einst live im TV eine Fliege verschluckte. Ihr gemeinsames Werk erscheint im Herbst und beschreibt in leicht verständlichen Worten die komplette Geschichte des Universums. Dort wird endlich auch geklärt, wer am Zweiten Weltkrieg schuld ist.
*Es handelt sich, wie wir alle wissen, nicht um den B. R. May, der um 1970 herum anhand der Umlaufzeiten von russischen Satelliten die Luftdichte in der Thermosphäre bestimmte, also den obersten Schichten der Atmosphäre, mehr als 200 km über dem Mt. Everest. May (nicht der von Queen!) fand rätselhafte halbjährliche Dichteschwankungen und noch so einiges anderes interessantes Zeug.
**Ein Hoffnungsschimmer für alle, die seit letztem Jahr Neo-Bohemians sind. (Hier fehlt noch ein Scherz mit Rhapsodie.)
25.07.2007 | 10:21 | Nachtleuchtendes | Papierrascheln
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Nach der Lektüre von Riding Rockets wissen wir alles über Klos, Kotztüten und schlechte Scherze mit Klos und Kotztüten im Weltall, was wir je wissen wollten. Da die Riesenmaschine-Leser aber an Höherem interessiert sind, sei hier stattdessen empfehlenderweise darauf hingewiesen, dass man aus "Riding Rockets" auch sehr viel Wissenswertes über Feststoffraketen, Orbitalgeschwindigkeiten, Transoceanic Abort Landing Sites und nicht vorhandene Rettungssysteme erfahren kann. Und wie viel weniger wüsste man ohne dieses Buch über Judith Resniks Haare, Zero-G-Coladosen oder Feminismus in der Raumfahrt! Selten genug geschieht es, dass Interessantes denjenigen widerfährt, die auch in der Lage sind, es zu beschreiben. Mike Mullane hat auf diesem Gebiet Vorbildliches geleistet, aber der ESA sei trotzdem nahegelegt, auch mal Jochen Schmidt ins All zu schicken. Schon weil es Mullanes Buch bisher nicht auf Deutsch gibt, und weil die DDR darin nur auf Seite 253-255 am Rande erwähnt wird.
24.07.2007 | 11:21 | Was fehlt | Fakten und Figuren | Papierrascheln | In eigener Sache
 Lexikon des Unwissens, unbekleidet (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Zu den ungeklärten Rätseln der Menschheit gehören die Texte, die Herausgeber oder Verleger oder wie auch immer Verantwortliche auf Buchrückseiten und in Einbände drucken lassen. Zu Kriminalromanen werden die gesamten Ermittlungen und ermordeten Hauptpersonen zusammengefasst, Liebesromane werden mit rhetorischen Fragen dekoriert, die jedweden Zweifel ausräumen, welchen der beiden Schönen die Heldin am Ende wählt, und wenn man sonst nicht weiter weiss, druckt man aus dem Zusammenhang gerissene Zitate von Zeitschriften der eigenen Verlagsgruppe drauf. Dabei sollten doch Käufer längst gewohnt sein, die Informationsattrappen systematisch zu ignorieren, die damit von der Buchevolution eigentlich erbarmungslos ausgeräumt werden müssten.
Das Lexikon des Unwissens der Riesenmaschine-Autoren Kathrin Passig und Aleks Scholz, soeben erschienen im Verlag Rowohlt Berlin, untersucht diesen Sachverhalt trotz ebensolcher Begleittexte leider nicht, enthält aber eine erkenntnisreiche Rundschau, was wir beispielsweise doch nicht über Wasser oder die Besiedlung von Amerika wissen. Man wird über dieses oder jenes Ereignis wie das in Tunguska, Schnurren von Katzen oder Leben auf diesem Planeten schon mal gestolpert sein, die Grenzen zwischen gesichertem Wissen und dem hypothesenspeienden, grauen Nichts sind allerdings präzise umrissen, sodass man auf ihnen amüsiert und sicher flanieren kann, ohne in den Sumpf der Ignoranz zu gelangen oder sich zum Mondfahrt-Dissidenten-Affen zu machen.
Die Kakerlakenherrscher, die den Transhumanoiden als intelligente Lebensform nachfolgen, werden sich an einigen der erörterten Fragen immer noch Scharten in die Maxillen beissen. Andere Wissenslücken werden bald aufgefüllt sein; da wir nicht wissen welche, empfiehlt sich die baldige Lektüre, um den Augenblick der Erkenntnis voll auszukosten.
Nachtrag: Eine Liste mit Korrekturen gibt es unter lexikondesunwissens.de
24.07.2007 | 00:40 | Anderswo | Fakten und Figuren
 Schnepfe (Gallinago gallinago), Quelle, Lizenz2007 ist das Jahr der sinnlosen Unternehmungen, 2008 übrigens auch, und 2009 wird es schon 100 Jahre her sein, dass Bernhard Adolf Hantzsch nach Baffin Island aufbrach, zu einer für moderne Verhältnisse geradezu übertrieben sinnlosen Expedition. Hantzsch, renommierter Ornithologe mit reichlich Felderfahrung in Sachsen, Island und Labrador, plante nicht etwa die Eroberung des Nordpols oder so einen sinnvollen Quatsch, sondern eine gründliche Erfassung der arktischen Vogelwelt, ausgerechnet in einer Gegend, in der man täglich dreimal stirbt. Irgendeiner muss es ja machen. Es ging gleich gut los, denn sein Schiff sank samt Ausrüstung kurz vor Baffin Island. Nach einem miserablen Hungerwinter unter Wilden brach er unbeirrt auf und zog in monatelangen Qualen einen Schlitten mit einem darauf befestigen Walfangboot einmal quer durch Baffin Island, das ungefähr so gross ist wie Skandinavien. Und wenn er Brennstoff gehabt hätte, hätte er nicht die grossen Mengen Fleisch roh essen müssen, die er hätte jagen können, hätte er nur ausreichend Munition besessen. Im Winter 1910/11 schliesslich erlegte einer der beiden begleitenden Eskimos einen Eisbären, von dem Hantzsch, halt ein Vogelexperte, roh ass, und so im Frühjahr 1911 elendig an Trichinen starb, bevor er verhungern konnte. Die letzten Worte von Aggakdjuk: We made a nice grave of stones and it is in a good place.
Bernhard Hantzsch, an dem man sich echt ein Beispiel nehmen sollte, hinterliess seine leider nicht mehr verfügbaren Tagebücher sowie knapp 30 epische Publikationen. Besonders gern erinnert man sich an Über das Weichen der Vögel im Fleische (1906), Der Durchgang des Felsenschneehuhnes (1907) und Vergiftete Lachmöwen (1902).
(Quelle: The work of Bernhard Hantzsch in Arctic Ornithology (PDF), eine Laudatio von Rudolph Martin Anderson)
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IN DER RIESENMASCHINE
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SO GEHT'S:
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"Iron Man", Jon Favreau (2008)
Plus: 25, 75, 80, 93, 96, 97 Minus: 99, 116 Gesamt: 4 Punkte
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