Riesenmaschine

01.03.2007 | 12:37 | Fakten und Figuren

Manchmal braucht es eben ein bisschen länger


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Der Grund, warum bestimmte Bands oder Musiker irgendwann verschwinden, kein Lebenszeichen mehr von sich geben und sehr sehr lange in der Versenkung bleiben, weil erfolglos und resigniert, obwohl sie enorm einflussreich waren, visionär, aber vor ihrer Zeit, liegt wohl einzig daran, dass diejenigen, die sie beeinflusst haben, sie wie ein kleines Geheimnis hüten, unter Verschluss halten und davon nicht gross herumposaunen, auch kein grosses Interesse daran haben, dass ihre Lieblinge was Neues machen, es könnte ja etwas Enttäuschendes dabei rauskommen. Das hat auch ein bisschen mit Eifersucht zu tun, das gehört mir, das hab ich entdeckt, das verstehst du nicht. Aber irgendwann fliegt das Geheimnis auf, wenn die Geheimnishüter zu viele werden, dann platzt der Dampfdruckkochtopf.

Zwei enorm einflussreiche Bands bzw Musiker halten wohl den Rekord im Wegbleiben, beide sind kürzlich wieder aufgetaucht, frisch und munter. Nur 35 Jahre liegen zwischen der ersten und der letzten Platte von Vashti Bunyan, nachdem sie ihren Namen im Internet auffallend häufig von jüngeren Musikern erwähnt als Einfluss gefunden hat. Die letzte, die nach Vashtis Art Lieder flüstert und haucht, ist momentan Carla Bruni, interessanterweise beides Protégés Mick Jaggers. 41 Jahre nach der letzten Platte der bizarren Monks, die der schrille Werber und ihr Manager Charles Wilp als Anti-Beatles installieren wollte und als "das stählerne Geschnatter eines Herbert von Karajan" beschreibt, und Uschi Nerkes Augen leuchten, weil es "dieses Lied übrigens noch nicht auf Schallplatte gibt", läuft jetzt überall die empfehlenswerte Dokumentation The Transatlantic Feedback, in der quasi jeder schon immer Monkfan gewesen ist, und diese quasireligiösen Geständnisse kommen so erleichtert raus, so als sei eine grosse Last von ihnen geplumpst, wie ein Druckkochtopf vom Herd.

Tex Rubinowitz | Dauerhafter Link | Kommentare (2)


01.03.2007 | 02:58 | Supertiere | Alles wird besser

Als die Geräte stolpern lernten

Laufende Nasen gibt's ja nun schon länger, laufende Meter gibt es Stoffe am, aber laufende Roboter sind eine verhältnismässig neue Erfindung. Bis vor kurzem war Asimo von Honda der Rumlatschstar, aber jetzt hoppelt elegant Anybot Dexter ins Bild, oder, nun ja, stolpert oder stakst wie ein Operationsrekonvaleszent auf dem Krankenhausgang. Das sieht auf den ersten Blick zwar deutlich armseliger aus als Asimos sicherer Schritt, ist aber in Wahrheit viel beeindruckender, weil Dexter nämlich in jedem Moment sein Gleichgewicht von neuem ausbalanciert und sich nicht jeden Schritt vorher genau überlegen muss. Die Roboter haben damit jetzt, 86 Jahre nach der Erfindung des Wortes durch die Čapek-Brüder, das Niveau von zirka Einjährigen erreicht und können also so ungefähr 2437 eingeschult werden. Am besten jetzt schon mal eine Tüte vorbereiten für den grossen Tag.


28.02.2007 | 21:29 | Sachen kaufen

Materialismus heavy


Na komm schon, Geist! (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Schon bei Platon war der Geist männlich, die Materie hingegen weiblich, ergo: neglegabel bis suspekt. Marx und Engels unternahmen dann noch einmal den Versuch, sie zu rehabilitieren und in den Fahrersitz der Weltgeschichte zu hieven – der allerdings, spätestens seit Grobi die Mauer (Stahlbeton made in GDR) wie das Haus der drei Schweinchen wegpustete, endgültig als gescheitert gilt. David Chalmers schliesslich tritt noch mal nach, zieht den Dualismus wieder ein und verweist die Materie dorthin, wo sie vermeintlich hingehört: zu den Zombies in den Kofferraum.

Das konnte nicht so ohne weiteres unwidersprochen bleiben und blieb es auch nicht: Schon formiert sich der Widerstand gegen die Geringschätzung der Materie. Sein geistiges (haha!) Hauptquartier dürfte ein Geschäft namens "Matter" in Brooklyn sein, auf dessen programmatischer Shopsite Mattermatters sich tolle Dinge finden, die ganz und vollständig aus Materie bestehen. Dort findet sich unter anderem dieser monströse grosse Korken aus massivem Kork, aber auch ein 4000 Seiten starkes Buch aus recyceltem Papier. Wenn man den Korken als Hocker benutzt, kann man es als buchstäblichen Büchertisch dazustellen. Oder man kann alles reinschreiben, was einem sonst noch so zur Materie-Geist-Problematik einfällt.


28.02.2007 | 12:43 | Vermutungen über die Welt

Die Leiden von Fujiya & Miyagi


Kulturelle negative Rückkopplung (Foto: photocapy / Lizenz)
Europhilie vermutet man törichterweise, wenn sich Ostasiaten Kopien europäischer Bausubstanz in ihren Dschungel oder so stellen, deren Gegenwert wie beim japanischen "Huis ten Bosch" etwa einer Million Flugreisen nach Holland entspricht. In Wirklichkeit nämlich wird Europa damit zu einem niedlichen, technisch unterlegenen Kuriositätenkabinett stilisiert, dessen Errungenschaften eben nicht mehr wissenschaftlich rational sind, sondern sich auf eine vormoderne folkloristische Ästhetik beschränken (steht jedenfalls hier). Dass jemand das Wakizashi umdreht, ist überfällig.

Die britische Band Fujiya & Miyagi referiert netterweise keine Visual-Kei-Zitate, sondern bastelt sich eine Klangwelt, in der Zen und Krautrock hübsche Synergisten sind und der Rest irgendwie den Geruch von Bordeaux und Baguette verströmt. Klar erkennbar ist der Versuch der subversiven Rückeroberung des absoluten Geltungsanspruches europäischer Kultur nicht. (Das amüsant verzerrte Stereotyp des Japan-Sounds findet man eher bei der Französin Michiko Kusaki.) Es gab keinen Fujiya-Miyagi-Hype, trotz dieser Kritik. Das aktuelle Album erscheint bald zum dritten Mal. Das Label wird von Herbert Grönemeyer getragen. Kein Blog hat sie begleitet.

Jan-Christoph Deinert | Dauerhafter Link | Kommentare (1)


28.02.2007 | 02:54 | Berlin | Anderswo | In eigener Sache

Donnerstag ist Riesenmaschinentag


Meide Informationen von Menschen, die vor Mikrofonen reden. (Foto: Jan Bölsche)
Montags ist Nudeltag, Dienstag Strudeltag und Mittwoch Knödeltag. Freitag ist Fasttag, Samstag ist Zahltag und Sonntag natürlich Zweitligatag. Donnerstag hingegen ist Riesenmaschinentag, ein Feiertag in 21 (sehr kleinen) Ländern, das ZDF überlegt bereits die Einführung eines "Worts zum Donnerstag". Und wie jeden Donnerstag finden deshalb auch an diesem Donnerstag wieder in drei verschiedenen Städten drei Veranstaltungen mit Riesenmaschine-Autoren statt: In Berlin trifft Holm Friebe um 20 Uhr im Grünen Salon auf die baldige Ex-Zitty-Chefredakteurin Mercedes Bunz und andere Leute um über "Kein Geld, aber tausend Ideen" zu reden. Fast zeitgleich, nämlich um 19.30 Uhr, halten Klaus Nüchtern und Tex Rubinowitz in der Buchhandlung Leporello in Wien die szenische Lesung "Wir können vor lauter Kraft ein Lyrikbändchen von Rilke zerreissen". Und in München beginnt im Literaturhaus ebenfalls um 20 Uhr Riesenmaschine TV, mit Sascha Lobo und Kathrin Passig an den Mikrofonen und Michael Brake am Laptop.


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