Riesenmaschine

20.02.2006 | 16:07 | Fakten und Figuren

Von Pilzen und Menschen


Schön, aber gefährlich: Fusspilz (hier zum Glück nicht mehr abgebildet)
82 Prozent aller Russen sind von Fusspilz befallen, gefolgt von Ungarn (46%), Tschechien (41%), Polen (32%) und Deutschland (22%). In Spanien sind es dagegen nur 5% (alle Zahlen Spiegel), woran man ohne Heranziehung weiterer Studien erkennen kann, dass Pilze sich erstens in kalten Ländern wohler fühlen und Fussfetischisten in Russland zweitens nichts zu lachen haben. Pilz und Mensch müssen sich dabei erst aneinander gewöhnen: bei Kindern unter fünf Jahren reagiert das Immunsystem meistens noch mit Empörung, um sich dann aber später doch noch mit dem Pilz zu arrangieren – klug von einem System, das sich sonst oft sehr kleinlich anstellt (Autoimmunreaktionen, Allergien, HIV).

Anders als andere Trittbrettfahrer der menschlichen Existenz hilft der Fusspilz aber weder beim Verdauen, noch apportiert er Stöckchen, weswegen man ihm hin und wieder zeigen muss, dass es so nicht geht. Der so entstehende Evolutionsdruck wird den Pilz im Laufe einiger Jahrmillionen schon irgendein nützliches Feature lehren, zum Beispiel könnte er nebenbei Laub harken.

Dass es hilft, den Fusspilz mit Krokodilfett einzupinseln oder sich täglich unter der Dusche auf die Füsse zu pinkeln, ist umstritten. Weniger rauchen hilft dagegen, denn jede Zigarette reduziert die Temperatur an den Zehenspitzen. Letztlich funktioniert eine effektive Fusspilzbekämpfung aber genauso wie die Schimmelpilzbekämpfung beim Abwasch: In die Spüle stellen und alle zwei bis vier Monate einen Spritzer Sagrotan ins Einweichwasser geben. Das ist die Sprache, die diese Banditen verstehen!

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20.02.2006 | 14:24 | Supertiere

Ausbildung am Käselappen


Heissen Blaue Trüffel, sind aber lila Kartoffeln (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Norwegische Fischer haben erkannt, dass bald der letzte mittelasiatische Stör ausgewrungen sein wird, und weil Ersatz für Kaviar hermuss, beginnen sie Seeigel im grossen Stil zu ernten, deren Inhalt, ein bisher nur von Chilenen und Japanern geliebter Glibber, für den grossen Reibach sorgen soll, den bisher windige Zwischenhändler zwischen kaspischem Meer und weiter westlich wohnenden Dekadenzlern einfuhren. Und auch auf dem Schlauchpilzsektor gibt es immer wieder Versuche, am hochpreisigen Marktsegment mitzunaschen, sei es mit Trüffeln aus Bottrop, sei es mit dem Terfezia Pfeilii Henning, dem Kalahari-Trüffel, beide allerdings bei weitem nicht so lukrativ wie die Brüder aus Italien und Frankreich.

Aber auch Eigenbau treibt nur mühsam Knospen, denn der Trüffel liebt alte Baumbestände, die sich so schnell nicht kultivieren lassen. Bleiben die Tiere, und hier vor allem Hunde und Schweine, die allerdings so unzuverlässig sind, dass man immer auf der Hut sein muss, dass sie die Knolle nicht alleine auffressen.

Hunde abrichten ist einfacher. Es beginnt, wenn der Hund zirka sechs Monate alt ist. Er wird dazu stimuliert Gegenstände zu apportieren und im Boden zu scharren, indem man etwas in der Erde versteckt, das einen signifikanten, scharfen Geruch hat, z.B. einen Lappen mit starkem Käsegeruch. Aber weil Hunde in letzter Zeit wichtigeres zu erschnüffeln haben, etwa Borkenkäfer und Krebs, bleiben nur noch die Fliegen. Die Trüffelfliege (Suillia pallida) orientiert sich am Geruch von Trüffeln und nutzt entsprechende Stellen zur Eiablage, dem muss man natürlich zuvorkommen, auch ist die Haltung eines Schwarms Fliegen nicht ganz unproblematisch. Also warum nicht ganz verzichten und stattdessen eine schöne, geräucherte Makrele essen?

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Tex Rubinowitz | Dauerhafter Link


20.02.2006 | 13:02 | Fakten und Figuren | Essen und Essenzielles

Pilzpolemik

Pilze sind auch nur Menschen und teilen sich als solche in Gewinner und Verlierer. Es kommt immer darauf an, wie man sich verkauft. Besonders deutlich erkennt man das an zwei Musterbeispielen, Shiitake und Mu Err. Beide haben ursprünglich fast identische Ausgangsbedingungen, sie sind asiatischküchige Pilze, die unter Kennern für ihr pilziges Aroma bei zurückhaltendem Eigengeschmack gelobt werden. Beide wachsen an Bäumen. Der Shiitakepilz aber ist ein cooler Selbstdarsteller, der schnell die Regeln des europäischen Marketing durchschaute und seinen Namen klug gewählt hat. Denn ein japanischer Klang im Namen garantiert fast automatisch die Zuordnung zum Premiumsegment eines Konsumguts, Sushi, Muji und Issey Miyake haben es vorgemacht. Der Mu Err Pilz dagegen verschaffte sich offenbar ohne Kenntnis der speziellen Geschichte Deutschlands hier zunächst unter dem äusserst ungeschickten Namen "Judasohr" Marktgehör. Als über diese Namenswahl Gras gewachsen war, entschied man sich bei Mu Errs, den chinesischen Namen Mu Err (dt. Holzohr) auch auf dem mitteleuropäischen Markt beizubehalten. Ein fataler Fehler, denn inzwischen war der unfassbar widerwärtig schmeckende Schlankheitstee Pu Err in den begrenzten Markt der mit "-u Err" endenden Produkte eingedrungen und beherrschte diesen. Negativer Image- und damit Geschmackstransfer blieb nicht aus.

Auch die Gestaltung des eigentlichen Pilzes gelang Shiitake hervorragend. Viel pilzhafter als ein schöner, einzelner Shiitake kann pilz nicht aussehen, die zugkräftige Nahrungsmittelexotik sei im Namen ausreichend transportiert, fand man im Hause Shiitake zu Recht. Wie sehr stösst einem dagegen die ausgesprochene Durchfallhaftigkeit des Mu Err Pilzes auf, nein, appetitanregendes Fooddesign ist im Hause Mu Err ein Fremdwort.

Und so verwundert es kaum, dass der Markt klar aufgeteilt ist. Shiitake, der sich geschickterweise in Asien als "Heilpilz" verehren lässt, ist im günstigen Fall für 9,00 Euro je 100 Gramm zu haben, Mu Err nimmt 9,50 Euro – für 500 Gramm. Und das, obwohl Mu Err letztlich eine wesentlich breitere Marktdurchdringung und damit Nachfrage vorweisen kann. Denn der undefinierbare Glibber, der in wirklich jedem chinesischem Billiggericht ist – genau das ist Freund Mu Err.

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20.02.2006 | 01:32 | Alles wird besser | Was fehlt | Essen und Essenzielles

Heute: Pilztag in der Riesenmaschine!


Foto: cfwee / Lizenz

Der Biologe weiss: Neben den recht bekannten Tieren und Pflanzen gliedert sich die Welt des Lebenden auch noch in die Reiche der Pilze und Protisten. Doch während wir Nicht-Biologen durchaus Begeisterung für Tiere ("Oh, wie schön flauschig!") und Pflanzen ("Oh, wie schön grün!") aufbringen, werden die Pilze – selbst die flauschigen und grünen – zumeist sträflicherweise vernachlässigt. Bloss warum? Nur weil sie keine Augen haben, keinen Sauerstoff produzieren und zum grössten Teil unter der Erde leben?

Auch die Riesenmaschine gab in dieser Frage bisher ein klägliches Bild ab: Für Tiere führen wir sogar eine eigene Kategorie, die Pilzartikel lassen sich hingegen an einer Hand abzählen: Ein bisschen was zu Biowaffen, ein bisschen was über den Missbrauch körpereigener Hefepilze, ein psychedelischer Spielplatz und der Pilz des Jahres 2006 – das ist zu wenig. Pilze sind immerhin die grössten Lebewesen der Welt. Ohne sie gäbe es weniger Käse, viel weniger Alkohol und überhaupt gar keine Hefeklösse auf der Welt. Ausserdem sind sie mitunter wunderschön, wie die Bilder oben (aus dieser Galerie) zeigen. Deshalb ist heute Pilztag in der Riesenmaschine. Das ist das Mindeste, was wir tun können.

Irgendwann bald machen wir dann auch einen Protistentag. Versprochen! Die sind bisher nämlich auch ziemlich unterrepräsentiert (gerade mal eine Erwähnung).


19.02.2006 | 18:01 | Essen und Essenzielles | Vermutungen über die Welt

Die Schnellkartoffel


Die Dummen leben von ihrer Arbeit,
die Klugen leben von den Dummen (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Sie werden gewettet haben. Sie werden sich bei einem Single Malt getroffen haben und gesagt haben "Sieh sie dir doch an! Sie sind dumm wie Brot! Sie kaufen alles für jeden Preis, wenn man es nur richtig verkauft!" Und obwohl keiner dagegen gewettet haben wird, haben sie es trotzdem nachprüfen wollen. Lange werden sie nicht nachgedacht haben, sondern gleich die zweitdämlichste Idee verwirklicht haben. "Wir verkaufen einzelne Kartoffeln für den fünffachen Kilopreis, indem wir sie einzeln in Folie einwickeln!" – "Und der Mehrwert?" wird einer gefragt haben, eher symbolisch, um den anderen sein teures St.-Gallen-Studium in Erinnerung zu rufen. "Scheiss auf den Mehrwert, den soll die Agentur erfinden."

"Pommfix, die leckere Mikrowellen-Kartoffel – einfach und schnell! Einfach in der Folie garen! Bei 600 Watt in der Mikrowelle fertig in: 1 Pommfix = 7-8 Min. 2 Pommfix = 10-11 Min." (0,99 Euro, gesehen bei MiniMal Berlin Ostbahnhof)


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