Riesenmaschine

14.02.2006 | 11:23 | Anderswo | Sachen kaufen

Sperrmüll Identity


Kreditkarte nicht im Lieferumfang enthalten (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Leider lässt sich Arnold Toynbees Zitat "Den Charakter einer Nation erkennt man daran, wie sie Auto fährt" nicht googeln. Es wäre ein schöner Einstieg gewesen, dieses Zitat als vollkommen irrelevant hinzustellen und stattdessen zu behaupten, dass man den Charakter einer Nation an ihrem Sperrmüll erkennt. In einer kurzen, strohfeuerartigen Phase wurde im letzten Jahr die ungeheure Anzahl der Wäscheständerwracks in Berlin auf Flickr dokumentiert. Die Bedeutung für die Nation ist so klar, dass man sie nicht mehr erklären muss, es hat mit Schmutzwäsche von früher und schlecht funktionierenden Ständern zu tun, wie eigentlich alles in Deutschland. Die Schweiz hingegen hat nationalcharakterlich an ganz anderen Themen zu knabbern und das auch noch nicht mal mit den eigenen Goldzähnchen.
Im Haushalt stapeln sich die Kreditkartenlesegeräte; bei jedem Geburtstag kommen ("woher wusstest du!") zwei neue hinzu, und damit das Bad begehbar bleibt, müssen halt ab und zu ein paar Sack Geld, ein, zwei Tresore und der "Bartizan" vom Vorjahr heimlich nachts auf die Strasse geworfen werden. Und so sieht man in Zürich in den zwanzig Minuten, bevor die Strassenreinigung alles wieder wegfeudelt, nachts ausgesetzte Kreditkartenratschgeräte am Wegesrand. Zu Recht sagt man: In Zürich liegt das Giralgeld auf der Strasse.


14.02.2006 | 06:16 | Vermutungen über die Welt

Ich denke sowieso mit dem Knie


Grübelnder Magen (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Vielleicht erinnert sich noch jemand mit Schrecken an den Sommer zurück. Abends setzte regelmässig ein Radau ein, der erst in den frühen Morgenstunden endete. Das war das Weinhähnchen. Meist sitzt es gut versteckt in den Balkonpflanzen und lässt sich akustisch nur schwer orten. Bei Gefahr verringert es so raffiniert die Lautstärke, dass unser Grosshirn eine (scheinbar) veränderte Position errechnet. Die Insekten selbst nehmen Geräusche mit dem oberen Teil des Schienbeins, also quasi dem Knie, wahr. Auch das macht sie sympathisch und erinnert an Joseph Beuys, der auf die Frage, warum er Taschenlampen an seinem Knie befestigt habe, antwortete: "Ich denke sowieso mit dem Knie".

Nun hat Frau Irmgard Lippe aus Graz herausgefunden, dass auch der Magen imstande ist zu denken. Wenn jetzt schon die Beine hören, die Mägen denken und die Zungen riechen können, wird man demnächst herausfinden, dass die Kniekehlen singen und die Haare ausgehen können? Vermutlich nicht, aber die Frage kann man zumindest mal stellen.

Tex Rubinowitz | Dauerhafter Link | Kommentare (2)


13.02.2006 | 19:01 | Sachen kaufen

Dabei sein ist alles


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Es scheint vielen Menschen ein Bedürfnis zu sein, von allem, das irgendwie denk- oder erinnerungswürdig gewesen sein soll, ein Andenken zu besitzen. Und sei es bloss ein winzig kleines Stückchen, das dann weder besonders spektakulär aussieht, noch irgendwas Besonderes kann und erst recht nicht einzigartig ist. Wie sonst ist zu erklären, dass immer noch Teile der Berliner Mauer verkauft werden, mitunter sogar mit der bizarren Artikelbeschreibung "neu"? Oder dass die Ausstellungsstücke von Christo und Jeanne-Claude entgegen dem Konzept bis in alle Ewigkeit in Quadratzentimetergrösse weiter existieren dürfen? Auch der Rasen in Fussballstadien wird ab und an ganz gern in kleinen Portionen verkauft, manchmal sogar, bevor darauf gespielt wird.

Für solche Menschen ist das folgende Angebot genau das Richtige: United Nuclear, ein sympathischer und vertrauenserweckender Online-Shop für Chemikerzubehör, UV-Licht-sensible Filzstifte, Uran, Stimmgabeln und ähnlichen Kram, hat jetzt nämlich Aerogel ins Sortiment aufgenommen (gesehen bei Oh Gizmo!). Ein kandisgrosses Bröckchen kostet zwar stolze 40 Dollar und ist dabei zu nichts zu gebrauchen, aber, hey: Aerogel wurde immerhin in der Stardust-Sternsonde verwendet und hat fünfzehn Einträge im Guinness Buch, unter anderem als leichtester Feststoff (nur dreimal schwerer als Luft) und bester Isolator. Sowas kann man schon mal rumzeigen, wenn Besuch da ist. Sieht auch viel besser aus als so ein olles Stück Berliner Mauer.


13.02.2006 | 11:38 | Vermutungen über die Welt

Was man herumtragen soll


Man kann's auch übertreiben. (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Nichts. Das muss das Ziel sein, auch wenn wir uns zur Zeit extrem schnell davon wegbewegen. Denn genauso, wie der moderne Mensch zu Hause in rasender Eile immer mehr Gegenstände anhäufelt, nimmt er immer mehr davon mit, wenn er das Haus verlässt. Vor 100 Jahren noch, es waren paradiesische Zeiten, weder Handy noch Weltkrieg erfunden, trug niemand etwas auf der Strasse. Die Hände frei, die Taschen leer, andächtig dem Verkehrslärm statt dem iPod lauschend und die Augen forschend in der Umgebung. Es waren Zeiten des Aufbruchs, der Begeisterung; Röntgenstrahlen wurden gefunden, Quanten entdeckt, Atomkerne, nur weil man es vorzog, sich die Realität genau anzusehen, anstatt sich mit Telekommunikation und Mikroelektronik zu befassen.

Die Washington Post hat das "Carry stuff" Phänomen jetzt kurz und oberflächlich untersucht, und gleich ein paar Erklärungen anzubieten, die alle irgendwie stimmen. Man wiegt sich im Glauben, man könne ohne dreihundert Gegenstände am Körper nicht mehr leben, man erhebt Sekundär- zu Primärbedürfnissen, weil man sich um letztere scheinbar keine Sorgen mehr machen muss. Ohne das unsichtbare Netz aus Dingen um ihn herum aber wäre der moderne Mensch hilflos, zappelt aufgeregt und überfordert hin und her, weil er nicht mehr weiss, was ein Kanaldeckel ist, um nur mal ein Beispiel zu nennen. Nachdem wir den Kelch mit vergifteten Dingen ausgetrunken haben, bleiben wir überlebensunfähig zurück und die Welt der Sachen hat leichtes Spiel mit uns. Sie werden uns solange quälen, bis wir genauso leblos sind wie sie.

Deshalb ist es vollkommen falsch, öffentlich Empfehlungen abzugeben, was man unbedingt dabei haben sollte. Hier stattdessen der Weg zum Heil: 1) Staatlich verordnete Stromausfälle an geheimen Tagen. 2) Drastische Steuern auf Hosentaschen, ach, Taschen generell. 3) Vorgeschriebenes Mindestgewicht für alle im Handel erhältlichen Gegenstände (cirka 18 Kilogramm). Sie werden sich noch wundern, diese hirnlosen Dinger.


13.02.2006 | 04:47 | Berlin | Sachen kaufen

Designermöbel selbst fälschen


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Einerseits gibt es den Plattenladen in der Oranienstrasse 183 schon seit mindestens 2003, andererseits ist er – dank der in suchmaschinenunfreundlichem Flash gehaltenen Website – so schwer zu googeln und selbst in Berlin so unbekannt, dass hier doch noch einmal auf das nützliche Angebot hingewiesen werden soll: Im Plattenladen kann man sich Möbelplatten von beschichtetem Sperrholz und MDF bis hin zu grotesk teuren Bambusplatten zuschneiden lassen. (Die Links auf der Website sind teilweise holzwurmzerfressen, aber die Preisliste als PDF findet sich hier.) Im Unterschied zum Baumarkt wird die Arbeit nicht betrunken und mit geschlossenen Augen erledigt, und selbst exotische Leistungen wie Gehrungsschnitte und Kantenbrechen sind einzeln zubuchbar. Dann trägt man die Einzelteile nach Hause, leimt sich daraus z.B. das hier bereits erwähnte Tetris-Regal zusammen und hat ca. 6.500 Dollar gespart. Ein Update folgt, sobald wir herausfinden, wie sich dieser Stuhl fälschen lässt.


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