Riesenmaschine

03.11.2005 | 11:15 | Zeichen und Wunder | Vermutungen über die Welt

Gebärendienst

Was der Krieg so alles gebiert. "Helden" zum Beispiel und "absolute Rechtlosigkeit". Selbstverständlich auch "Krieg" und "immer neuen Hunger nach Krieg". Ausserdem gebiert er, dem Schlaf der Vernunft nicht unähnlich, "seine Ungeheuer", den "Hochmut der Menschen", und "Menschliches, Liederliches, auch Ekliges". Schön ist das nicht. Um so lobenswerter ist daher das untenstehende Banner, das kürzlich auf kontraband.com unsere Aufmerksamkeit erregte. Selten, vielleicht nie, wurde so vorbildlich konsequent und unverhohlen der Wechselwirkungsmechanismus von Weltmarkt und Weltpolitik abgebildet, den der Krieg ja schliesslich auch gebiert, diese Riesengebärmaschine.


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)

Robert Koall | Dauerhafter Link


03.11.2005 | 05:15 | Was fehlt

Die dritte Hand


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Seit Jahrzehnten schon erfindet die Menschheit eine dritte Hand nach der anderen. Es gibt mittlerweile dritte Hände zum Löten, zum Rückenkratzen, zum Pferdezügeln, zum Austrennen von Autoscheiben, als Mundspanner, zum Leimen oder Kleben, zum Justieren von Fahrradbremsen, Spannen von Gitarrensaiten (die Liste hört gar nicht mehr auf) und jetzt sogar, relativ neu, eine dritte Hand, die den zweiten Mann ersetzt. Man fragt sich, woher das kommt und wo das hinführt. Gibt es irgendwo auf der Welt eine zertifizierte Ausbildung zum Dritte-Hand-Erfinder? Hat die IHK eine neue Innovationsinitiative gestartet? Kann man überhaupt noch irgendetwas mit zwei Händen erledigen, zum Beispiel Papierrollen tragen oder eine Landkarte festhalten? Man muss ernsthaft darüber nachdenken, wie ein Leben ausgesehen hat, bevor es dritte Hände gab, hat man vielleicht den Mund zu Hilfe genommen oder die Füsse? Auffällig ist vor allem, dass alle dritten Hände überhaupt gar nicht so aussehen wie die zwei anderen, sondern meist auffällig kompliziert, unpraktisch, ja, wenn man es dann mal ausprobiert, eigentlich nicht bedienbar, also jedenfalls nicht mit zwei Händen (im Bild ein typisches Beispiel). Und hier, so muss man es wohl sehen, liegt das Grundproblem verborgen: Jede dritte Hand braucht eine zweite und/oder erste Hand, um einsatzfähig zu sein, was dazu führt, dass man am Ende nicht eine Hand gewinnt, sondern zwei verliert. Ein raffiniertes Konzept, das zur Entmündigung und Handlungsunfähigkeit grosser Teile der Bevölkerung führt – die erschreckenden Folgen: Arbeitslosigkeit, Ölkrise, Grosse Koalition. Man muss nichtmal Verschwörungstheoretiker sein, um zu verstehen, dass all diese Probleme in wenigen Minuten zu lösen wären, wenn endlich das Importverbot für dritte Arme aufgehoben wird.

Aleks Scholz | Dauerhafter Link


02.11.2005 | 18:40 | Alles wird schlechter

Sag mir, wo die Gardinen sind


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Dass Rauchen ein herrlicher Zeitvertreib ist, mögen wohl nur all jene Frischluftfanatiker bezweifeln, die im Sommer Äpfel essen, Federball spielen, Coldplay hören und Clogs tragen. Dass es den Rauchern immer schwerer gemacht wird, die Stätten geselliger Zusammenrottung gemütlich vollzuqualmen, ist allgemein bekannt und vermutlich irreversibel, leider.
Immer mehr Länder verbieten das, was Luise Rinser einst als einen so trostfernen Ort beschrieb, wie das Zimmer ohne Rauch, das wie eines ohne Gardinen sei. Gardinen waren bei ihr, wie man weiss, eine Metapher für die sprichwörtliche Sau rauslassen. In Italien riskiert ein Raucher in der Wirtsstube das eigenartig elastische Strafmass von 27,50 bis 275 Euros. Oder verschärfter: In Gegenwart einer "offensichtlich Schwangeren" das Doppelte. Was ist mit den armen nichtoffensichtlichen Schwangeren, mit Zwillingen gar? Was, wenn die Schwangere selbst raucht? Muss sie die Strafe an sich selbst entrichten?
Die Firma Nautilus Laboratoriumsbedarf bietet jetzt ein mit Nikotin angereichertes Bier namens NicoShot an, um aus diesem Dilemma Kapital zu schlagen, gemeint ist aber nicht das nach Schinkenbrot schmeckende Bamberger Rauchbier, sondern eine Plörre, die wohl ähnlich einfährt (3 Gläser = 20 Zigaretten) wie Hopfen rauchen oder Alkohol inhalieren. Arthur Dent, der mit 96 Jährchen und nach vierhunderttausend Zigaretten das Rauchen aufgegeben hat, hätte selbst die mit Nikotin angereicherte Hautcreme vermutlich auch nicht mehr so froh gemacht wie die vergilbte Gardine vor den blinden Fensterscheiben.

Tex Rubinowitz | Dauerhafter Link | Kommentare (5)


02.11.2005 | 14:36 | Anderswo | Essen und Essenzielles

Lila Launeeis


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Noch ein kleiner Nachtrag zum Ostasien-Special, sowie zur kontraintuitiven Farbigkeit von Lebensmitteln: Wohl dem Erbe der französischen Kolonialgeschichte geschuldet ist das Speiseeis in Vietnam extrem überdurchschnittlich gut. Im Fanny's in Hanoi bekommt man verargumentierbar das beste dunkle Schokoladeneis der Welt, dem eine überirdische Mousse-Note und -Textur eignet. Aber auch das Industrieeis der staatlichen Firma Thuy Ta, die auf ihrer beachtlichen Website neben der Eisproduktion auch noch "Importing the line and the synchronous equipment, The products wholesale and retail dealer, documentation about the photo and The print colour photo service." als Bereich ihrer Geschäftstätigkeit angibt und sich dem Credo "The consummer is all." verschrieben hat, ist von überraschender Güte. Die Basisvariante am Stil, Dua Khoaimon, kommt in unterschiedlichen natürlichen Aromen, zu denen unter anderem Erbse zählt, wie wir nach einigem Rätseln anhand der natürlichen "Frucht"-Stücke ermitteln konnten. Der jeweilige Fruchteiskörper wird von gefrorener gesüsster Kondensmilch überzogen, was einen interessanten kontrapunktischen Akkord setzt. Bei der hier abgebildeten Variante handelt es sich um Kokusnuss, genauer um "Taro Coconut", das in unserer Gesamtwertung am besten abschnitt. Um es von der Kondensmilch abzusetzen, wurde als Farbton ein blasses Lila gewählt, was in Verbindung mit Kokusnuss sicher als arbiträre Setzung gelten muss, ästhetisch aber vollumfänglich zu überzeugen vermag.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Grüner wird's doch


02.11.2005 | 11:19 | Berlin | Was fehlt | Zeichen und Wunder

Verkehrssicherheit muss lustiger werden


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)

(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Verkehrssicherheit – ein oft durchdachtes Thema. Trotzdem sind die angewendeten Lösungen bisher eher langweilig und von geringem Entertainmentfaktor. Lediglich der Bau immer schnellerer Autos für garantiert tödliche Unfälle auf der Autobahn folgt einer herausstechenden und unterhaltsam irrationalen Logik. Dabei könnte es in diesem trockenen, ingenieurslastigen Bereich der Gesellschaft viel lustiger zugehen, wie ein Blick über den Tellerrand der Erde zeigt. Der Riesenairbag für das gesamte Auto etwa, von der Nasa bei der Landung des Mars-Rovers erprobt, bläht sich kurz vor dem Aufprall riesig um das ganze Auto auf und schützt nicht nur die Insassen und das Auto sowie die umliegende Gesamtsituation, sondern trägt sicher auch wesentlich zur Erheiterung der Passanten bei. Doch die Autoindustrie, der offenbar ihr bräsiges, überseriöses Image wichtiger ist als Alltagscharme und Sicherheitswitz, verpennt den Trend hin zur Eventisierung von allem und jedem. Wenn ein an sich schrecklicher Unfall wenigstens in lustiger Verpackung daherkäme, dann würden Unfallopfer sicher auch unter weniger stark unter Beschwerden leiden, die wie das Schleudertrauma zum Teil psychosomatisch bedingt sind. Aber solange diese Erkenntnis sich bei den grossen Konzernen und der Politik nicht durchsetzt, muss wieder einmal privates, subversives Engagement an seine Stelle treten. So wie bei dem Autofahrer auf den Bildern, der sich an der Kreuzberger Oberbaumbrücke nicht zwischen zwei Spuren entscheiden konnte und deshalb lustig die ansteigende Leitplanke hochgeschlittert ist.


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