Riesenmaschine

01.11.2005 | 19:16 | Anderswo | Alles wird besser | Zeichen und Wunder

Der in der Luft geht


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Den Drang zu Höherem, den die Evolution in uns hineingebaut hat, wird nur jemand für intelligentes Design halten können, der noch nie ein Gedicht gelesen oder Reinhold Messner gesehen hat. Schon seit Anbeginn der Erde ringen die Organismen darum, wer denn nun das höchste Gebäude errichten kann, Kristallnadeln, Pilzfäden, Termitenhügel, Gateway Arch, die nutzlose Kette höheren Lebens reisst vorerst leider nicht ab. Ganz drollig ist immerhin eins ihrer jüngsten Glieder, das höchste Sprungbrett der Welt, das die Hualapai-Indianer bis nächsten Januar fertiggestellt haben werden. Touristen können dann vermutlich vom oberen Rand des Grand Canyon mit einem eineinhalbfachen gestreckten Auerbachsalto in den Colorado springen, und die Evolution ist vorerst beendet. Bis jemand eine Schaukel unter den Mond hängt, jedenfalls.


01.11.2005 | 17:26 | Nachtleuchtendes | Alles wird besser

Bei Rot stehen – bei Grün sitzen


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)

(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)

Die Übertragungsgeschwindigkeit der Nerven im menschlichen Körper liegt – im günstigsten Fall – bei etwa 100-120 Meter pro Sekunde und schneidet im direkten Vergleich mit der Lichtgeschwindigkeit (299.792.458 m/s) eher mau ab. In der Praxis bedeutet das, dass man herannahende LKWs nicht mit Hilfe des Tastsinns erfühlen, sondern lieber auf eine Lampe achten sollte, die rotes Licht aussendet, wenn Verkehr herrscht und grünes, wenn die Strasse gerade frei ist. Warum dieses bewährte Prinzip nicht früher auf andere Lebensbereiche übergegriffen hat, ist unklar, aber vermutlich hat es mit den Einkaufspreisen von LEDs zu tun. Im letzten Jahr ist jedenfalls nicht nur ein Toilettensitz auf den Markt gelangt, der im heruntergeklappten Zustand grün und im hochgeklappten rot leuchtet, sondern auch der Türgriff Brighthandle, der berührungsfrei signalisiert, ob die Tür verriegelt ist, und ein Wasserhahn, der kaltes Wasser zur Information blau beleuchtet, warmes aber rot (von Hansa, aber Achtung, unnütze Flash-Hölle). Auch das Universum, so ist zu hören, informiert uns neuerdings durch ein rotes Leuchtsignal, wenn es expandiert und durch ein blaues, wenn es wieder kontrahiert. Wir werden also Bescheid wissen, bevor der Ofen bzw. alles aus ist und diesen Sachverhalt hier ankündigen, damit sich jeder noch rechtzeitig eine Schachtel Kerzen (gelbes Licht = in Betrieb, schwarzes Licht = Standby) zulegen kann.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: There will be light


01.11.2005 | 16:27 | Berlin | Anderswo | Alles wird besser

Radiokunst


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
In der Wrangelstrasse in Berlin Kreuzberg ist diese Schablonen-Sprüherei zu finden, "PIRATE RADIO 95.2 FREITAGS 18 Uhr". Beim Betrachten erleidet der geübte Berliner schnell ein Flashback in die Zeit, als Piratenradios auf UKW noch einigermassen sinnvoll waren. Die wilde Assoziationskette geht von dem 1999 betriebenen Piratensender Twen FM mit angeschlossenem Club im ehemaligen Puff über den mittlerweise ebenso legalen wie egalen Expiratensender KISS FM und das gefühlte Piratenradio der 80er Jahre Radio 100 bishin zu Piratensender Powerplay, dem Highlight der sagenhaft schlechten Supernasen-Filmreihe mit Mike Krüger und Thorsten Gottschalk. Im Mai letzten Jahres war die aktuellste Berliner Radiopiraterie zu hören, Pirate-Beat-Box – und zwar genau wie gesprüht auf 95,2 MHz am Freitag Abend. Nun ist das Graffito aber verhältnismässig neu, während man vom dazugehörenden Radio in diesem Jahr kaum mehr etwas gehört hat. Ein Revival, das wider die unendlichen Möglichkeiten des Internet kämpft, als eine Art Flagschiff der Radiopiratenromantik?


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Eine kurze Recherche bringt eine andere Deutung ans Licht, die zwar viel unwahrscheinlicher ist, aber auch viel schöner und die deshalb die offizielle Deutung der Riesenmaschine sein soll: Die Sprüherei könnte eine Guerilla-Kampagne der ehemaligen Beat-Box-Macher für ein Radiokunst-Projekt sein. Auf der Frequenz 95,2 MHz sendet ab heute (mit einigen Monaten Verspätung) bis Ende des Jahres das Radio Copernicus, ein deutsch-polnisches Künstlerradio. Der für seine Genialität vollkommen unterprominente Künstler Felix Kubin ("Die egozentrischen Zwei", ehemalige jüngste Punkband Hamburgs) entwickelte die konzeptionelle Basis des binationalen Künstlerradios, das mit so schönen Features daherkommt wie einer Sendung, bei der gesprochene Texte auf zwei unterschiedlichen Frequenzen verteilt zu hören sind, so dass man zwei Radios braucht, um den Dialog überhaupt verfolgen zu können. Von diesem Gemeinschaftsprojekt der Universität der Künste Berlin und der Uniwersytet Wroclawski (Breslau) sind wir so begeistert, dass wir statt eines unterirdischen Gags über π-raten-Radios ("Vielleicht 3,14?") den Aufruf nach weiteren, spontanen Beiträgen unterstützen wollen.


01.11.2005 | 03:58 | Was fehlt | Vermutungen über die Welt

Zeitenwirrnis


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Jedes Jahr geschieht es zweimal, dass hochentwickelte Lebewesen verwirrt und geistesabwesend durch die Strassen taumeln und sich von niederen Lebensformen unwürdig behandeln lassen müssen. Gemeint ist nicht der halbjährliche Betriebsausflug der Behindertenwerkstatt, sondern die Umstellung von Sommer- auf Winterzeit oder umgekehrt. Kein halbwegs zivilisierter Mensch kann sich merken, ob nun gerade vor oder zurück, welche Uhr automatisch, welche nicht, auf welchem Erdteil an welchem Tag oder auch Nacht, und überhaupt warum einen alle immer so komisch ansehen. So entsteht im globalen Hinundher, im Durcheinander zwischen analogen und digitalen Uhren sowie im durchweg chaotischen Zusammenspiel von Funkweckern und gerade zufällig vorbeikommenden Zeitsatelliten ein intellektuelles Debakel, eine Art zeitloser, unbestimmter Schwebezustand, der die Menschheit nochmal Kopf und Kragen kosten wird, nämlich wenn gerade in diesem Moment die anderen angreifen.

Dabei könnte alles so toll sein, wenn man endlich nicht nur die "Daylight Saving Time", sondern auch gleich noch die ganze Zeitzonengeschichte abschaffen, und zu einer schönen, konsequenten Universalzeit übergehen würde, die vernünftigerweise natürlich auf dem Dezimalsystem beruhen sollte. Es beschwert sich auch keiner darüber, dass auf der Südhalbkugel im Januar Sommer ist, warum sollte es ein Problem sein, wenn Mitternacht in Tokio am hellichten Tag stattfindet? Kein neuer Ansatz natürlich: seit Jahrtausenden versuchen kluge Köpfe die universale Dezimalzeit einzuführen; man erfand das Julianische Datum (alle Tage seit irgendwann einfach durchgezählt), die "Unix Time" (alle Sekunden seit Anfang der 70er) und die heute bereits legendäre Swatch Internet Time (einfach den Tag in 1000 "Beats" einteilen), aber ausserhalb von Zeitfetisch-Randgruppen gingen bisher alle diese schönen Ansätze sang- und klanglos unter.

Vielleicht kann man daraus aber auch lernen, dass Verwirrung und Komplikationen ein Grundbedürfnis des Menschen sind, und man mit zuviel Gewissheit und Klarheit prinzipiell nicht klarkommen kann. Dies würde zwanglos erklären, warum bei Zeitangaben nach 60 59 (manchmal auch 24 23) wieder die Null kommt und ausserdem noch, warum es weltweit vierundachtzig (geschätzt) verschiedene Systeme für Schuhgrössen gibt (das nur nebenbei). Das Bild zeigt die Weltirrsinnsuhr von Guinand (nur 2375 Euro).


31.10.2005 | 17:11 | Fakten und Figuren | Vermutungen über die Welt

Alter des Universums


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Im aktuellen Spiegel (Personalien, S. 202), wird berichtet, Katie Melua habe in einem Song das Alter des Universums mit "schätzungsweise" 12 Lichtjahren umschrieben. "Niemand kann sagen, ob das wahr ist, aber ich weiss, dass ich immer bei dir bin." Daraufhin habe sich der Physiker Simon Singh ("Fermats letzter Satz") gemeldet und gesagt, es gebe kein "Recht auf Schätzung", das Alter lasse sich sehr genau beziffern und betrage "13,7 Milliarden Lichtjahre". Das ist so aber auch nicht richtig, sagt die Riesenmaschine. Wie der grosse Picabia bereits vor schätzungsweise 100 Jahren erkannte: "Diejenigen, die der Unendlichkeit die Dimension eines Meters gegeben haben, haben sich getäuscht. Die Dimension der Unendlichkeit ist zwei Meter fünfzig." Woraus jeder Achtklässler mit einem Taschenrechner und sogar wir logisch folgern können, dass das Alter des Universums vier Meter zwanzig beträgt.

Das soll jedoch keine grundsätzliche Kritik sein, weder an Katie Melua, noch an der Wissenschaft. Der Trend, aufklärerisch einzugreifen, wenn die Popmusik Unfug erzählt, wird von der Riesenmaschine ausdrücklich gelobt. Vielleicht ist hier sogar der Gesetzgeber gefragt. In der Werbung sind haltlose Aussagen ja auch nicht gestattet.


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