Riesenmaschine

10.10.2005 | 11:15 | Alles wird besser | Fakten und Figuren

Faustrolls Kinder


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Konnte Alfred Jarry am 28. April 1893, als er die Pataphysik erstmals in seinem Roman "Taten und Meinungen des Pataphysikers Dr. Faustroll" einer breiteren Öffentlichkeit präsentierte, also jene okkulte Metastase der Metaphysik, einer Wissenschaft, die die einzige imaginäre Lösung für nicht vorhandene Probleme anbietet, von der Berechnung der Oberfläche Gottes bis zur Krokodilologie und Mistizin, ("Für die Pataphysik sind alle Phänomene absolut gasförmig", Jean Baudrillard), konnte Jarry also damit rechnen, dass seine Wissenschaft bis zum heutigen Tage ein fröhliches Schattendasein führt und in einem immer wilder wuchernden Wald von kommerziellem Krempel und lieblosen Tand gedeiht? Der Autor Max Goldt zum Beispiel beschreibt in einem seiner Bücher, es gäbe, ohne sie dezidiert so zu nennen, eine pataphysische Maschine in seinem Haushalt, ein Gerät, in das man oben eine vorher bereits geknackte Nuss wirft, die unten wieder rauskommt, und es vermag, ihn für Stunden in seinen Bann zu ziehen. Die Firma Maywa Denki hat sich auf die mehr oder weniger serielle Produktion solcher Maschinen spezialisiert. Hier entwickelt der japanische Tüftler Nobumichi Tosa Haar-Hygrometer, den Othelloscope genannten Hautfarbmesser, einen Traktor, der von Fischen gelenkt wird, aber auch nützliches Zeug wie die Schnipsprothesen, eine sprechende Armbanduhr, bei der man sich die gewünschte, ideale Uhrzeit selbst auf einer Wählscheibe zusammenstellt oder den oben abgebildeten Knockman, den grössten Erfolg der Firma. Es handelt sich um einen freundlichen Burschen, der sich, wenn man ihn aufzieht, lachend auf seinen eigenen Kopf einprügelt, als gäbe es nichts Herrlicheres als Kopfschmerzen und keinen neuen Morgen. Und das können die Damen und Herren von Aspirin ja auch nur unterschreiben, nicht?

Tex Rubinowitz | Dauerhafter Link


10.10.2005 | 00:19 | Alles wird besser | Fakten und Figuren | Zeichen und Wunder

Krass – Fahrrad fährt 1/4 Lichtgeschwindigkeit!


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Gäbe es bei der Riesenmaschine einen internen Wettbewerb um die reisserischste wahre Überschrift – ich hätte ihn wohl soeben gewonnen. Dabei habe ich noch untertrieben, denn mit dem Fahrrad wurde mehr als ein Viertel Lichtgeschwindigkeit erreicht: Es ist nun genau zehn Jahre her, als Fred Rompelberg 268,831 km/h im Windschatten eines Autos fuhr. Bis vor kurzem hätte das nicht für die Überschrift gereicht – jetzt aber ist es Forschern in Berkeley gelungen, mit einem Laser sowie einem komplizierten Verfahren Licht bei Zimmertemperatur auf eine Geschwindigkeit von 245 Metern pro Sekunde zu entschleunigen, was etwa 880 Stundenkilometern entspricht (gefunden bei digg). Man kann nun argumentieren, dass unter Lichtgeschwindigkeit gemeinhin diejenige im Vakuum verstanden wird, also eine Milliarde Stundenkilometer. Aber mit der Überschrift "Krass – Fahrrad fährt ein dreikommasiebenmillionstel Lichtgeschwindigkeit" hätte ich vermutlich keinen Blumentopf geschossen. Wie es sich für einen topreisserischen Artikel gehört, hat das Bild weder mit dem '95 aufgestellten Rekord noch mit den kalifornischen Forschern zu tun, sondern ist die Photoshop-Schimäre des Designers Scott Robertson (hier die komplette, sehr schmucke Serie "Venom").


09.10.2005 | 20:50 | Anderswo | Alles wird besser | Sachen kaufen

Zotter zaubert


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Diversifikation auf dem Lebensmittelsektor ist eine Disziplin, die man von den Firmen Ferrero/Kinder oder Milka erwartet, in der Regel pro Woche ein neues Produkt auf Zucker-und Fettbasis, aber letztlich bleiben Luflée, Tender, M-Joy und wie der ganze Mist heisst, ununterscheidbar, man verändert lediglich die Form, packt vielleicht noch irgendetwas waffel- oder bisquitartiges drumrum , oder immer wieder auch mal eine schnöde Haselnuss rein, der Geschmack aber variiert nur marginal.
Komischerweise ist hingegen im eher schwerfälligen Österreich momentan eine unglaubliche Freude zu verzeichnen, altbackene Produkte albern zu aromatisieren.
Gleichzeitig mit dem Wettbewerb der zwei grössten Mineralwasserabieter Vöslauer und Römerquelle, ihre Produkte mit Rosen, Melisse, Essig, Löwenzahn, Koriander und Pfeffer zu aromatisieren, explodierte die Palette des Schokoladenherstellers Josef Zotter (Bild). Natürlich muss man das alles ganz furchtbar fantasievoll erklären und verpacken, man solle die Schokolade atmen lassen, "um ihrem Geheimnis auf die Schliche zu kommen" usw., sie ist ja auch nur ein Mensch. Was Zotter da in seine Täfelchen mischt, ist aber so fröhlich und absurd, dass einem nicht mal mehr Witze dazu einfallen: Thymian, Senf, Schwarzbrot, Polenta, Bier, Speck, Sellerie, Essig, Bergkäse. Und das beste an dem Zeug ist, dass das alles ganz wunderbar schmeckt und gut geht, sowohl das Wasser als auch die Zottersachen. Wer wundert sich da noch über grünes Kit Kat?

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Ein Schokoriegel sucht die Wahrheit

Tex Rubinowitz | Dauerhafter Link | Kommentare (3)


08.10.2005 | 17:56 | Anderswo | Alles wird besser

Kling, Glöckchen

Schon seit längerer Zeit fordern wir an dieser Stelle ein Gerät, das uns bei unerlaubter Entfernung unserer Wertsachen aus dem Radius unserer Person alarmiert, am besten akustisch. Gewisse Fortschritte waren auch bereits zu verzeichnen, da preschen jetzt die gerade als diebstahlfreudigstes Volk Europas geouteten Engländer mit einer ziemlich revolutionären Schneidende-Kante-Technologie (wie der Engländer sagt) vor: In Harborough, Leicestershire sollen im Vorfeld der Weihnachtseinkaufszeit kostenlose Glöckchen an Shopper verteilt werden. Diese Glöckchen werden an Handtaschen und Portemonnaies befestigt und, nun ja, so schwer es vorzustellen sein mag, wäre es doch eventuell denkbar, dass manche Probleme der Menschheit ganz ohne RFID zu lösen sein könnten. Vorausgesetzt, man ist bereit, an allen Körperteilen zu klingeln wie ein lepröser Narr.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Kinderfinder


08.10.2005 | 15:11 | Alles wird besser | Zeichen und Wunder

Du bist Scheisse


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Seit vor ein paar Wochen die zurecht viel belachte Kampagne »Du bist Deutschland« startete, ist endlich die Frage beantwortet, was eigentlich dabei rauskommt, wenn man retrosozialistische Anfeuerungsdoktrinen (»Du bist die Hand!«) mit Stammtischchaostheorie (»Ein Schmetterling kann einen Taifun auslösen.«), wirrer Metaphorik aus einem drittklassigen Managementratgeber (»Es gibt keine Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Deutschlandbahn.«) und Vulgärkennedyanismus (»Behandle Dein Land doch einfach wie einen guten Freund. Meckere nicht über ihn, sondern biete ihm Deine Hilfe an.«) vermengt und kurz aufkocht.
Es soll hier nicht die Rede sein von dem provinziellen Mief dieses staatstragenden Unfugs, aber es soll ein Lob ausgesprochen werden für den Graphiker, der das Logo für die Kampagne entwickelte und der aus dem Hause Jung von Matt stammt. Seine grosse Leistung liegt darin, es geschafft zu haben, dieses Logo vor vermutlich Dutzenden von Gremien zu vertreten und es ebenso vermutlich als »dynamisch«, »sympathisch« und »unique« zu verkaufen, obwohl es doch ganz offenkundig nichts anderes darstellt als einen dicken Haufen Scheisse. Das ist nicht sehr subtil, aber recht subversiv und nachdrücklich zu belobigen.


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