Riesenmaschine

04.12.2007 | 16:53 | Anderswo | Alles wird besser | Zeichen und Wunder

Antigegner


Auf dem diffizilen Terrain hegelscher Dialektik ungeschlagen: Die WPO. (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Ein Sprichwort sagt: Zwei Linke, drei Meinungen, vier Parteien. Die linke globalisierungskritische Bewegung ist bekanntlich solch ein bunter Fleckenteppich wie die europäischen Fürstentümer im Hochbarock. Alle möglichen Organisationen und Gruppierungen tummeln sich dort. Wie dieses Spektrum einen weiteren satten Farbspritzer erhielt, konnte man am Samstagabend in München bestaunen: Hier war die Presse geladen zur Gründungspressekonferenz der "World Party Organisation", einer Partei, die sich die "vollständige Beseitigung aller Armut" und die Errichtung der "Vereinigten Staaten der Erde" auf die Fahnen geschrieben hat. Zur Fragestunde wurden Bier und Partybrötchen gereicht. Der arglose Zuhörer sah sich zwar zunächst etwas länglichen und verzwickten Ausführungen zu gewagten Finanzkonzepten ("Erster Schritt: Umsatzsteuer 100% + x") ausgeliefert, fand dann aber willige Antwortgeber aus dem Parteivorstand für die essentiellen Fragen: Wieviel Mitglieder hat die Partei bereits? – "Etwa 100, aber von mehr als 60 haben wir die Kontaktdaten nicht mehr." – Wieso wird die Partei als 'Erste Globalisierungspartei' gehandelt, aber unter Globalisierungsgegnerschaft aufgeführt? – "Wir sind Antiglobalisierungsgegner. Realpolitik. Deshalb." Eine tröstliche Tatsache: Die linkshegelianische Dialektik lebt noch.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Piratenpartei

Ruben Schneider | Dauerhafter Link | Kommentare (8)


03.12.2007 | 18:38 | Nachtleuchtendes | Alles wird besser

Lob der Aussichtslosigkeit


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Wenn man wie die meisten Menschen seine Vorhänge nie öffnet, weil man wie die meisten Menschen den Fehler gemacht hat, den IKEA-Vorhang Bomull zu kaufen, der bei jedem Auf- oder Zuziehversuch die Gardinenstange in den Abgrund reisst, dann braucht man, so haben Forscher jetzt erkannt, eigentlich gar kein Fenster. Fenster haben so viele Nachteile: Nur zu wenigen und schlecht gewählten Tageszeiten fällt tatsächlich Licht durchs sie ins Zimmer, und auch das nur, wenn man sie alle paar Jahre mühsam reinigt. Andere Menschen können in die Wohnung hineinsehen, kleine Kinder fallen heraus. Fenster entlassen die teure Wärme hinaus in die Natur und inspirieren GUI-Designer zu ganzen Betriebssystemen, die viel Leid über die Menschheit bringen. Gut, dass endlich jemand das fensterlose Leuchtfenster erfunden hat, das man überall hinhängen kann, wo man es braucht. Jetzt noch eine türlose Tür zur Abwehr von Zeugen Jehovas und GEZ, dann steht der Entwicklung des Wohnens zum Grosstrend des 21. Jahrhunderts nichts mehr im Wege.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Es geht voran


03.12.2007 | 12:45 | Berlin | Anderswo | Essen und Essenzielles | Vermutungen über die Welt

Eine gute Paraphrase dauert 7 Minuten

Ilse schenkte nach. Am Anfang erschuf Gott Hopfen und Malz. We hold these truths to be self-evident, that all beers are created equal. Gute Vorlagen gibt es viele, Pilsener Urquell, laut Werbung und Wikipedia das erste Pils der Welt, hat sich für die Paraphrase des Deutschen Grundgesetzes entschieden, um die neue Imagekampagne zu hinterfüttern, auch eine Art Standortbekenntnis.


Ein Helles im Dunkeln fotografiert (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
An Deutschlands Plakatwänden wird schon ja schon etwas länger der Panschwahn des vergangenen Sommer gegeisselt. No Lemon, No Cranberrry. No Bullshit. Im Dezember wird vom Konsum kalter Biermixgetränke wahrscheinlich auf warme Weinmixgetränke umgeschwenkt. Warten wir noch ein paar Minuten auf No Cassis. No Cherry. No Hämaturie, bevor wir Bierwerbung wieder ausblenden.

Das letzte Pils der Welt (bisher) hingegen wird seit dem 1. Dezember 2007 in Liechtenstein gebraut und verkauft. Kenner sollten Bierwitze über Liechtensteins Verfassung und Grundgesetz schnell gesetzlich schützen lassen, am besten daselbst, denn das Bier soll nicht über die Landesgrenzen hinweg vertrieben werden.

Vielleicht ist das Bierbrauen in Liechtenstein aber auch ein perfider Plan zur Eroberung der Vormachtstellung in Europa. Kein anderes Land läuft so schlecht voll, wenn der Meeresspiegel infolge der globalen Erwärmung steigt. Bierkühlschränke hingegen sind wahre Klimakiller, wie wir nach wochenlangen Recherchen bei ActionNews erfahren haben. Um dem Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, noch die Krone aufzusetzen, sollen neue Flugzeuge jetzt mit Kühlschränken für Bier ausgestattet werden, um zum Beispiel mehr Menschen aus Schottland nach Chile zu bringen. Daraus kann doch wirklich niemand ausser Liechtensteinern einen Vorteil ziehen.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Soziologie des Getränkemissbrauchs


30.11.2007 | 17:29 | Supertiere

Was innendrin ist in den Termiten


Darmdoppelklammer (Foto, Lizenz)
Sehr kleine Tiere, die im Darm von Termiten leben, können Holz zerkleinern. Sie tun nichts anderes, als riesige Holzmoleküle in winzige Kohlenhydrate zu verwandeln. Das können Menschen schonmal nicht; schiebt man einen Baum in uns rein, kommt er hinten wieder raus, es sei denn, wir verschlucken zusätzlich eine Säge. Menschen können halt nur die Bakterien-DNA zersägen und entschlüsseln, einige fühlen sich danach besser. Die Ameisendarmwesen zerlegen Holz natürlich auch nur, wenn die Termiten vorher genug davon essen, aber selbst wenn die Tiere, in denen wir wohnen, vorher Holz essen würden, wir könnten es nicht zerkleinern. Es sei denn, sie ässen zusätzlich eine Säge, dann ginge es wohl. All das stand so oder so ähnlich letzte Woche in Nature, dem Fachblatt für sowas.

Wer ausprobieren möchte, wie man sich so fühlt, wenn man als extrem kleines Tier im Inneren eines viel grösseren Tieres lebt, der wird bald Gelegenheit dazu haben: Schweden baut den grössten Elch der Welt, 50 Meter hoch, innendrin mit allen Mod Cons. Wenn der Elch also zur Ameise wird und der Mensch zur Mikrobe, was entspricht dann dem Ameisenbär?


28.11.2007 | 14:19 | Was fehlt | Papierrascheln

Binnenmajuskel. Wieder. Da.


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Anscheinend wird das Metier der Werbetexter derzeit von einem überraschenden Trend zur Schlichtheit ergriffen. Slogans, Head- und Taglines wie "Im Falle eines Falles, klebt Uhu wirklich alles", "Das ist schon einen Asbach Uralt wert" oder "Hilft dem Vater auf das Fahrrad" wirken nur noch anachronistisch umständlich, wo die Zeichen auf Ein-Wort-Gestammel ("More", Pepsi) und das Abstecken generischer Claims ("Das Auto", VW) stehen. Der atemlose Stil, Resultat von Platzmangel in der Domäne der Aufmerksamkeitsökonomie, bringt es mit sich, dass auch die Binnenmajuskel ein Revival feiert. Um möglichst viel Bedeutung sinnfällig in möglichst wenig Wort unterzubringen, wird ein Kürzel, idealerweise das des Absenders, semantisch mit der Botschaft verschweisst. Was sich in der AIDS-Hilfe noch organisch fügte ("PositHIV") und bei der Gebühreneinzugzentrale ("Schon GEZahlt?") schon ein wenig holperte, wirkt bei der Financial Times Deutschland ("TriebkraFTD") nur noch angestrengt hingebastelt. Zugegeben: Wir selbst haben auch schon mit dieser Mechanik herumexperimentiert ("IniZIAtive") und sollten uns deshalb hüten, einen Stein danach zu werfen. Aber so oft es auch versucht wird – das Original dieser Idee aus dem Jahre 1970 ("SchreIBMaschinen") wird doch wohl auf ewig unübertroffen bleiben.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Lonely old Slogan


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