Riesenmaschine

15.12.2008 | 04:20 | Alles wird besser | Essen und Essenzielles

Deutschland, Deine Kerne


Johannes B. Kerne (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Mark Twain sah nicht nur aus wie eine Mischung der beiden antipodischen Deutschen Kaiser Wilhelm II. und Albert Einstein, sondern hatte auch eine intensive Beziehung zur deutschen Sprache. In einem seiner Werke schreibt er von zwei ihm zentral erscheinenden Worten im Deutschen, nämlich Zug und Schlag. Alles scheint ihm in den verschiedensten Kontexten und Komposita verzugt und verschlagt zu sein, mit Begeisterung beschreibt er (heute teilweise unverständliche) Gesellschaftsvorgänge rund um diese Worte; Niederschlag, Abzug, Nachschlag, Einzug, Abschlag, Aufzug, Aufschlag im Zug. Ziehen und schlagen sind eindeutig Vokabeln des letzten Jahrtausends – aber ein neues Grosswort zieht herauf: Der Kern.

Begonnen hatte es wie so vieles in einem Pudel; die erste Kernoffensive kam in Kriegszeiten mit dem Schlachtruf der Daheimgebliebenen im Ersten Weltkrieg: "Sammelt Obstkerne!". In den 1930er Jahren gelang Otto Hahn die Kernspaltung, städtebaulich wurde später die Entkernung vorangetrieben. Der Erfolg des unsympathischen Designers Otto Kern gab dem Kern ebenso Schub wie der Versuch der Atomlobby, Atomkraft in Kernenergie umzubenennen, weil sich das weniger bedrohlich anhört. Als sich im neuen Jahrtausend flächendeckend die Biosupermärkte der bourgeoisen Bohème ausbreiteten, wurde mit ihnen der Pinienkern zum bevorzugten Küchenkern.

Doch seitdem wurden kaum noch neue, verheissungsvolle Kerne eingeführt (vielleicht mit der Ausnahme eines zweiten Prozessorkerns). Um aber den Glanz des neuen Grossworts Kern zu erhalten, ist es erforderlich, einen nagelneuen Kern ins Bewusstsein der Bevölkerung zu hämmern. Die dringende Empfehlung der Riesenmaschine ist hier die Zedernuss als Nachfolger des momentanen Küchenkerns, des Pinienkerns, zu etablieren und sie bei ihrem gleissend schönen Zweitnamen zu nennen: Zirbelkern. Deutschland, mögen Deine Zirbelkerne uns den Weg in eine neue Kernära weisen! Andernfalls dürfte sich Österreich mit dem weltenergiepolitisch clever benamten Kernöl an die Spitze der Kernbewegung setzen. Oder gar die Schweiz!


12.12.2008 | 12:06 | Berlin | Nachtleuchtendes | Zeichen und Wunder

Ein schöner Tag bei den Berliner Verkehrsbetrieben


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
"Machen Sie den Kunden die schiere Überfülle unserer Haltestellen irgendwie grafisch anschaulich!", hatte Klapheck gefordert, "7.432 Haltestellen, da muss man sich doch nicht verstecken, das kann sich doch sehen lassen!" Aber als es darum ging, wo sich diese vielen Haltestellen eigentlich befanden, hatte Wisseling natürlich aus keiner Abteilung der BVG Antwort auf seine Mail erhalten. Wahrscheinlich wusste man es nirgends so genau, 7.432 Haltestellen, das waren ja auch verdammt viele, wer sollte da den Überblick behalten. Na, es würde schon nicht so drauf ankommen. Erst mal Spree, Dahme und Havel aus dem Gedächtnis eingezeichnet. Dort hielten sicher keine Busse, und auch im Müggelsee nicht. Aber auf den Flugfeldern in Tegel und Tempelhof? Fuhren da nicht andauernd Busse herum? Und wo Busse waren, gab es sicher auch Haltestellen, viele Haltestellen. Die Busse der BVG hielten auch in Häusern, und in Parks, wie sollten alte und gebrechliche Bürger sonst ins Grüne gelangen? Jetzt noch die lückenlose Versorgung des Teltow- und Landwehrkanals mit Schiffshaltestellen herausstreichen. So, schon fertig. Waren es auch genau 7.432 Punkte geworden? Ach, das sollte der Praktikant übers Wochenende nachzählen.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Ein schöner Bloomstag in der Güldenkron Fruchtsaft GmbH, D-57647 Nistertal


11.12.2008 | 12:19 | Anderswo | Alles wird besser | Sachen kaufen

Dann klingelt's aber


Geld sparen müssen ist immer hässlich, so Geld sparen zu können immerhin schön (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Allerspätestens seit sich selbst Ethnologiestudenten beim Bier Fondstipps zuraunten, ist die Sparbüchse tot. Wer sein Geld nicht für sich arbeiten lässt, muss selbst arbeiten und wer will das schon? Also hinfort mit der Sparbüchse! Da aber eine der Grundregeln der Produktverwurstung lautet, dass jeder vollkommen überflüssige Mist noch eine zweite Chance bekommt, wenn man ihn nur als Gadget in Umlauf bringt – und gegebenenfalls entsprechend aufmotzt – verharren tausend unnütze Dinge gerade in einem technologischen Limbus.

Dass dieses trashige Werbegeschenk (eigentlich: das Werbegeschenk par excellence) nun wieder eine Chance bekommt, das liegt nun so gar nicht an dieser Finanzmarktkrise, die gerade so aufregend ist, sondern allein am Format. Denn wo Japan draufsteht, da ist eben immer vollkommener Unsinn drin. Unsinn, mit dem Menschen anzugeben versuchen, die sehr viel Zeit mit Computern verbringen. Die Mischung aus urbaner Weltläufigkeit und Kindlichkeit hat schon Unerträgliches wie das Tamagotchi zu einem Kassenschlager werden lassen – dass sich damit nicht auch $100 pro geräuscheerzeugender Sparbüchse machen lassen sollte, geradezu abwegig. Und so geschah es dann auch.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Sunuzu auf der Yamanote-Linie


10.12.2008 | 13:45 | Nachtleuchtendes | Essen und Essenzielles

Germany's Next Alcopops


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Erfindet doch lieber auch mal einen Korn! (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Gross war die Vorfreude, als wir gefragt wurden, ob wir als Blog interessiert seien, Walross-Alkohol zu testen. Noch grösser die Spannung, als eine vom Schweizer Zoll ordentlich abgefertigte Papprolle eintraf mit dem Warnhinweis: "Walross-Alkohol – Achtung: auf keinen Fall schlucken!" Noch grösser allerdings war die Ernüchterung darüber, in der Papprolle keine toxisch-tranige Substanz vorzufinden, sondern drei Dosen eines handelsüblichen Energydrinks, der nur mittels Aufdruck zu "Plouby Walross-Alkohol 3000" umgewidmet wurde. Wir haben die Plörre dann den Pinguinen gegeben. Selbst haben wir uns dem etwas reiferen und erwachseneren "Das Korn" des Künstlers Theo Ligthart zugewandt: echter deutscher Doppelkorn aus der Traditionsbrennerei Sellendorf in Brandenburg, eigens entwickelt für den Kunstmarkt. "Gefüllt in Flaschen, die ästhetisch an eine Mischung aus Flachmann und Parfumflakon erinnern, schafft 'das Korn' eine Verbindung zwischen Kunst und Objekt", heisst es auf der Website. (Und seitdem wir wissen, dass es sich bei dem ganzen um eine "soziale Plastik" handelt, sehen wir auch das Pennerensemble vorm Supermarkt mit anderen Augen.) Der "Das Korn"-Korn trinkt sich süffig wie edelster Wodka, und hinterlässt kaum Spätschäden am nächsten Tag. Binnen einer Woche war die halbe Flasche leer. Indem er uns ermöglicht, Alkoholismus als Kunstform auszudeuten, könnte "Das Korn" glatt zu unsem neuen Near-Water-Alltagsgetränk avancieren. Am morgigen Donnerstag wird die glückliche Erfindung eines Korns übrigens mit einer Vernissage in der Bar Tausend gebührend gefeiert.


08.12.2008 | 16:06 | Alles wird besser | Essen und Essenzielles | Gekaufte bezahlte Anzeige

Das Frühstück der Champignons


Superspezialzutat "Süsse Pilze" (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)

Supernormalzutat "Guten-Morgen-Basismix" (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)

Zankapfel Rosine: Jetzt auch in Grün (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Mit manchen Lebensmittelzutaten verhält es sich wie mit Prostituierten und Schutzgelderpressern: Man bezahlt nicht dafür, dass sie da sind, sondern dafür, dass sie wieder verschwinden oder gar nicht erst auftauchen, weil sie Gesundheit oder Wohlbefinden beeinträchtigen.

Ähnlich, aber doch ganz anders ist es im Cereal Club: Dort ist jeder Türsteher seiner eigenen Müsli-Party und kann mit Hilfe des Cereal Creators entscheiden, wer einen festen Platz auf der Gästeliste hat (Weizenflocken, Haferflocken, Sonnenblumenkerne), wer trendy, süss oder crazy genug ist, um mal reinschmecken zu dürfen (Goji Beeren, Hanfsamen, Mohn, Quinoa, Aloe Vera, Cranberry Chocs) und welche Proletenzutaten Hausverbot auf Lebenszeit bekommen (Haselnüsse, Rosinen, kleine Steine) – und das, ohne dabei schale Kompromisse eingehen zu müssen (oder sein Frühstück in tennisballdosenartigen Mini-Silos zugeschickt zu bekommen).

Die Riesenmaschine begrüsst Mass Customization im Allgemeinen und hier im Speziellen, denn die Vorlieben und Abneigungen frühstückender Individuen sind nun mal so unterschiedlich und bunt gemischt wie die Zutaten selbst: Den einen ist es aus religiösen Gründen untersagt, Mais, Reis, Gepopptes oder Traubenzucker zu verzehren, andere dürfen, wie die Lianen-Bungeespringer von Vanuatu, zu einer bestimmten Zeit im Jahr aus gesundheitlichen Gründen nichts essen, was ein Vogel berührt hat. Einige sind einfach nicht die Typen für Müsli und Magerquark, andere begegnen den weltweit steigenden Getreidepreisen und ihren verheerenden Folgen für die Dritte Welt und die Bierpreise mit einem weitgehenden Verzicht auf getreidehaltige Bestandteile. Sie alle kommen auf ihre Kosten, denn Cerealclub bietet neben bekannten und weniger bekannten klassischen Zutaten für strenge Müslime auch reichlich Spielraum für müsliferne Kombinationen, die ausschliesslich aus Pops, Flakes, Crispies, Mini-Cookies, Schaumzuckergebilden und herzhafter Knabberware bestehen. Freunden politischer Frühstücksaspekte bietet sich darüber hinaus die Möglichkeit, mit gutem Gewissen global zu mischen und lokal zu handeln: mit dem Spendentopping für die Stiftung Mittagskinder.

All das macht den Cereal Club zu einem der buntesten Tempel undogmatisch-lockerer Frühstücksflockigkeit ausserhalb der Philippinen. Für die Zukunft wünschen wir uns höchstens noch einen Customize-Frischkornbrei im Overnightversand sowie die Sonderzutaten Taiwanesisches Seaweedtabix, Hawaiianische Holzrosensamen und einen Hallo-Wach-Mix mit Amphetamin-Drops und Red-Bull-Granulat.

Wir verlosen drei Cereal-Club-Gutscheine: Einfach in die Kommentare schreiben, welche Zutat der Cereal Club noch aufnehmen sollte.

Natascha Podgornik | Dauerhafter Link | Kommentare (32)


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