Riesenmaschine

30.10.2007 | 03:19 | Gekaufte bezahlte Anzeige

Von der Kulturgeschichte der Dose


Ebenfalls unvergessen: Das Kinderbuch Konrad oder Das Kind aus der Konservenbüchse von Christine Nöstlinger. Ausserdem natürlich der beliebte Tanz Can-Can und die weltberühmte Comicfigur Tintin. (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
1961-1971 war die goldene Ära in der Kulturgeschichte der Dose. In diesem Jahrzehnt kulminierten die drei bedeutendsten popkulturellen Auftritte von Dosenprodukten, deren Wurzeln freilich schon Jahrzehnte zuvor zu suchen sind.

Denn bereits 1898 kreierte die Campbell Soup Company das bis heute fast unveränderte, von den Farben der Cornell University inspirierte Design ihrer Suppendosen – das 1962 den Weltruhm von Andy Warhol begründen sollte. Etwa zur gleichen Zeit wurde Sterno erfunden, ein gelierter Brennspiritus in Dosen, der verdünnt als Alkohol genossen werden konnte. Nach dessen landläufigem Namen wurde dann 1929 der Canned Heat Blues benannt, der wiederum 1964 als Namenspate für die bis heute aktive Bluesrockband Canned Heat fungierte. 1937 schliesslich brachte die Hormel Food Corporation SPAM auf den Markt, mit über sechs Milliarden verkauften Dosen einer der Verkaufsschlager der jüngeren Dosengeschichte (selbstverständlich lobt auch die Fachverbandsseite www.weissblech.de den "handlichen Fleischblock"), das 1970 durch den Auftritt in Folge 25 der zweiten Staffel von Monthy Python's Fl... – aber wem sagen wir das?

Erst dieser gehörige kulturelle Impact bereitete das Feld für die Anerkennung der Dose, wie wir sie jetzt, im aufgeklärten 21. Jahrhundert, erleben dürfen. Und so kann der grosse Dosentest, bei dem vier Freiwillige sechs Wochen lang ihre Ernährung zu einem möglichst grossen Teil aus Dosen bestreiten (wir berichteten), mit Fug und Recht als der vorläufige Höhepunkt einer Entwicklung bezeichnet werden, die 1898 in Camden/New Jersey ihren glorreichen Anfang nahm. Inzwischen befindet sich der Dosentest im Endspurt, und wenn man einen Blick auf die Videotagebücher der Probanden wirft, muss man sich fragen: Mit wem auf der Welt würde man lieber tauschen? Eben.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Im Dosenholozän


29.10.2007 | 17:15 | Supertiere | Vermutungen über die Welt

The Nature strikes back

Früher war es einfach für die Natur: die Menschen hatten ja nichts und so konnten sie ihre Freizeit nur damit füllen, die heimische Flora und Fauna entweder anzuschauen oder aufzuessen. Doch dann wurden hintereinander Buchdruck, Photographie, Radio, Supermärkte, Fernsehen und schliesslich der Computer erfunden, und auf einmal interessierte sich niemand mehr für die olle Natur. Eine Zeitlang begnügte sie sich damit, doch dann besann sie sich auf ihre Stärken und nahm die Herausforderung an. Seitdem haut sie Woche für Woche bizarre, vorher verborgen gehaltene Details aus der Tier-, Pflanzen- und Pilzwelt raus, um endlich wieder die Marktführerschaft zu erlangen.

Mittlerweile wurde die Schlagzahl so sehr erhöht, dass man innerhalb von 24 Stunden auf Boing Boing mal eben folgendes lesen kann: 1. Der New Scientist berichtet, dass australische Forscher interessante Dinge über die Funktionsweise des Penis von Ameisenigeln entdeckt haben (s. Video). Der Penis hat übrigens nicht weniger als vier Köpfe, von denen aber immer nur zwei ejakulieren, und könnte einen evolutionären Link zu den Reptilien darstellen. 2. Dann wurde vor einiger Zeit ein Tintenfisch entdeckt, der einen menschlichen Mund hat, also echte zahnförmige Zähne, ordentlich in zwei Reihen angeordnet. 3. Und ausserdem gelang es mittels eines interphylumalen Gentransfers, eine Vogelspinne mit einem Streifenhörnchen zu kreuzen (Beweisbild), was im Sinne der Nagetierverherrlichung zu loben, aber auch zu bemängeln ist. Allerdings ist es auch ein wichtiger Schritt in Richtung Igelzoo, also bitte.

Eine dieser drei Geschichten stimmt übrigens gar nicht, sondern basiert auf Manipulation durch Bildbearbeitung. Den Computer mit seinen eigenen Waffen schlagen, soso. Man könnte meinen, die Natur hätte das mit dem Survival of the Fittest ziemlich gut verstanden.


28.10.2007 | 02:09 | Nachtleuchtendes | Was fehlt

Leopardenritt


Fundorte des schmerzlich Vermissten (Credit: NASA/JPL-Caltech/E. Daddi (CEA Saclay)
Nagut, jetzt gibt es also einen ausgewachsenen Leoparden für Macs. Was allerdings wenige wissen: Lange vorher schon gab es eine Software namens Leopard, die ihren Benutzer (übrigens jeden beliebigen Benutzer) befähigte, in den Archiven des Spitzer-Weltraumteleskops nach total interessanten Daten zu suchen, also Infrarotbildern von diesem Weltall da draussen. Insiderinformation: Leopard wurde noch nicht auf Leopard getestet! Jetzt aber eine Nachricht, die uns alle angeht: Spitzer hat ein paar hundert Schwarze Löcher entdeckt, was nur so mittel interessant klingt – hundert, was ist denn das für eine lächerlich kleine Zahl. Bis man folgendes erfährt: Offenbar haben uns in den letzten Jahrzehnten viele Millionen Schwarze Löcher gefehlt. Eine Meldung, die zunächst betroffen, dann erhaben macht. Die Fähigkeit, etwas zu vermissen, was man nicht mal sehen kann – ist es das, was uns vom Leoparden unterscheidet? Dazu Astronom David Elbaz diplomatisch: Jetzt können wir den Elefanten zum ersten Mal sehen.


27.10.2007 | 00:44 | Nachtleuchtendes | Vermutungen über die Welt

Kosmische Texturen

Textures are defects in the structure of the vacuum left over from the hot early universe. WHAT? Struktur? Vakuum? Defekt? Vielleicht würde man mehr verstehen, könnte man japanisch, aber vielleicht auch nicht. Einigen wir uns darauf, dass beim Zusammenbau so eines Universums einiges schiefgehen kann, wofür man dann später evtl. Nobelpreise kriegt oder zumindest berühmt wird, so wie jetzt der Kosmologe Marcus Cruz und sein Team, die im Branchenblatt Science von einem Defekt im frühen Kosmos berichten. Und zwar an einer Stelle, die unter den Pfadfindern der Hintergrundstrahlung als Cold Spot bekannt und gefürchtet ist, eine überraschend kalte Stelle in der ohnehin schon saukalten kosmischen Hintergrundstrahlung. Hier ist möglicherweise knapp nach dem Urknall die Raum-Zeit-Metrik zerbrochen und seitdem hat sich niemand die Mühe gemacht, sie wieder, naja, kann man Nichts zusammenkleben? Keine Vorwürfe von dieser Stelle. Das Tolle an Wissenschaft: Das alles ist eventuell auch Quatsch und in Wahrheit ist es dort gar nicht kalt, sondern es sieht nur so aus, und zwar, weil sich zwischen uns und dem Urknall an dieser bestimmten Stelle ein bemerkenswertes Loch befindet. Oder aber auch das ist Unfug und alles ist ein gewaltiger Zufall oder nur ein Scherz oder eine versteckte Botschaft.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Alles in allem


26.10.2007 | 09:30 | Sachen kaufen | Zeichen und Wunder

Das Strike Bike ist da


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)

(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)

(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Und da sage noch einer, Anarchisten seien unzuverlässig. Pünktlich zum angekündigten Auslieferungstermin und eine halbe Stunde vor dem mit der Spedition vereinbarten Termin zur Anlieferung wird eines von 1.800 weltweit existierenden Strike Bikes bei uns angelandet: produziert von renitenten Arbeitern der Fahrradfabrik in Nordhausen, die, angestachelt von Hamburger Anarchisten der FAU, ihr Werk besetzt haben und sich damit gegen die bevorstehende Schliessung durch die Blackstone-Gruppe zur Wehr setzen. Anders als die Lokführer haben sie den Satz von Jean Railla verinnerlicht, dass Dinge produzieren vielleicht heutzutage der letzte wirklich revolutionäre Akt ist. (Allerdings ist die Produktion gerade wieder eingestellt, die Zukunft des Werks im Dunkeln, immerhin gibt es eine Warteliste.) Das Rad selbst, mit wenigen Handgriffen zusammengebaut, ist nicht gerade ein Leichtgewicht, vielmehr ein echtes Produkt des Schwerindustrie-Zeitalters. Mit seinen auf dem Lieferschein vermerkten 18 Kilo (leer) scheint es das Elend der Welt physisch in sich aufgenommen zu haben. Und das Rot erinnert in natura an das Blut der Arbeiterklasse. Es hat einen Sattel aus Gummi (für dieses Rad musste kein Tier sterben), eine geschmeidige Drei-Gang-Nabenschaltung (Kuba kommt schliesslich auch mit drei TV-Kanälen aus) und Rücktritt (Dialektik!). Kurzum: ein Rad, wie es nach der Revolution jeder fahren wird, nachdem alle Mountainbikes samt Fahrer an die Wand ge- äh... schoben wurden.


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"The Congress", Ari Folman (2013)

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