Riesenmaschine

30.05.2007 | 19:55 | Alles wird besser | Fakten und Figuren

Rechnen, kinderleicht

Angeregt vermutlich durch den Konsum bewusstseinsvernebelnder Substanzen, machten sich in den siebziger Jahren Vertreter der Neuen Mathematik daran, ein recht altes Problem – wie bringt man zu kurzen Menschen ohne Sinn und Verstand (Kindern) etwas bei, vor dem sie Angst haben (Zahlen) – durch ausgeklügelte Erziehungsmethoden noch ein bisschen kniffliger zu machen. Die natürlichen Zahlen lassen sich auf abstrakten Mengenoperationen begründen, und Kinder, die mengentheoretisch auf der Höhe seien und also die roten Dreiecke in die richtige Schnittmenge schöben, könnten später auch Taschenrechner bedienen und Wechselgeld rausgeben und also funktionierende Mitglieder der Gesellschaft werden. Dass das Argument nicht hinhaut, und die Mengenlehre bei der Mathematikerziehung nicht half, liegt nicht etwa an Schwächen der Mengenlehre selbst, die, nicht zuletzt dank ihres Erfinders Georg Cantor, Argumente von atemberaubender Schönheit enthält, sondern an den doofen Kindern, denen es weniger Spass macht, auf dem Auswahlaxiom herumzukauen als auf Kaugummi. Wie wir aber aktuell aus Nature erfahren, ist die Hoffnung trotzdem noch keine leere Menge. Im Gegenteil nämlich können Kinder – ohne irgendwelche formale Mathematik oder Zahlensysteme beigebracht bekommen zu haben – verhältnismässig grosse Zahlen halbwegs akkurat addieren, subtrahieren und vergleichen. Vielleicht wird es Zeit für einen abermals neuen Ansatz in der Mathematikerziehung: die Fühlmathematik-Methode. Ob es mehr gefühlte Zahlen gibt oder mehr natürliche, wäre dann allerdings wohl wieder eine Frage für die Mengenlehre. Schade, dass Cantor schon tot ist.


30.05.2007 | 14:19 | Listen | Vermutungen über die Welt

Minor Urban Disasters


Murphys Law auf die Strasse gebracht.
Bild: Plugimi, Lizenz
Irgendwie waren wir – dank eines Fingerzeigs von Peter Glaser, der uns auf die umgefallenen Männchen im Glaskasten der Modelleisenbahn am Bahnhof Spandau aufmerksam machte – der Sache schon länger auf der Spur. Auch Kathrin Passigs Sammlung weggeworfener Wäscheständer und meine ausgesetzten Stofftiere gingen in die Richtung. Nur haben wir irgendwie immer die falsche Abzweigung genommen. Vielleicht fehlte es einfach nur am verbindenden und verbindlichen Begriff für all diese häufig unbeachteten und undokumentierten Kleinkatastrophen im Stadtbild. Der passende und umfassende Terminus dafür lautet natürlich "Minor Urban Disasters", die gleichnamige Flickr-Group, die beim gestrigen Pecha Kucha-Abend in Berlin von Beiträger Ariel Chico vorgestellt wurde, hat es auf den Punkt gebracht und versammelt die Livebilder und Spuren von Mikrodramen oder blossen Ungereimtheiten und Unstimmigkeiten im öffentlichen Raum. Angefangen hat alles 2003 mit einem verlorenen Handschuh in Stockholm, inzwischen steuern 68 Mitglieder ihre Bilder bei. Als Diashow betrachtet ergeben sie ein tragikomisches Panoptikum der urbanen Halbheiten, Havarien und Hacks sowie einen eindrucksvollen Beleg dafür, dass möglicherweise etwas mit der Matrix nicht ganz in Ordnung ist. Und das hatten wir ja eh schon immer vermutet.


30.05.2007 | 01:08 | Anderswo | Fakten und Figuren

Bilder von Menschen, die vor Kameras Sachen machen


Riesenmaschine-Autor, gerade die begehrte Klagenfurter Bachmannwettschwimm-Trophäe gewonnen habend. (Foto: Angela Leinen)
Nach den Riesenmaschine-T-Shirts ist jetzt auch die Klagenfurt-Kollektion 2007 eingetroffen und gibt wie jedes Jahr Anlass zu grosser Ver- und Bewunderung. Radisch-Kandidat PeterLicht ist ungefähr so publicitybegeistert wie Thomas Pynchon und "lehnt es ab, Fotos von sich schiessen zu lassen oder sich im Fernsehen zu zeigen", Andrea Grill ist Übersetzerin aus dem Albanischen, hat über die Evolution der Schmetterlinge Sardiniens promoviert und damit schon so gut wie gewonnen. Jörg Albrecht sieht, wie Kollege Scholz anderswo bereits schrieb, "aus wie dieses kleine neunmalkluge Kaninchen in diesem einen Kinderfilm aus den 70ern, mag Selbstportraits vor psychedelischem Hintergrund und hat Komparatistik studiert. Menschen, die Komparatistik studieren, können keine schlechten Menschen sein." Auch der obligatorische Postangestellte ist vorhanden, dazu drei Mitglieder der obskuren "Fussballnationalmannschaft der Autoren", der Herr weidet uns auf grünen Auen.

Obwohl unser Dopingteam natürlich ganz auf der Seite von Riesenmaschineautor Jochen Schmidt ist, schicken wir gern auch jedem anderen Teilnehmer (oder Juror) ein bewährt glücksbringendes ZIA-T-Shirt zu. Details über den hier demnächst startenden Klagenfurt-Totalisator (Platz, Sieg, grosse und kleine Einlaufwette, wertlose Sachpreise) werden rechtzeitig bekanntgegeben.


29.05.2007 | 18:07 | Sachen anziehen | In eigener Sache

Wie die Shirts geschmiedet wurden


I'll Be Your T-Shirt (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
So! Unter T-Shirts 2007 ist ab sofort der 2007er T-Shirt-Jahrgang zu sehen, wir danken den meisten Einsendern. Alle Shirts aus Privatbesitz (einige besonders abwegige Scheusslichkeiten sind nicht abgebildet) werden in den nächsten Tagen zugestellt. Wer sich eins der begehrten Sammlerstücke sichern möchte, schreibt zunächst eine Mail an mail@riesenmaschine.de, woraufhin wir das Shirt als verkauft markieren. Enthalten sollte diese Mail: Die eigene Postadresse. Nicht enthalten sollte sie: Wünsche nach "T-Shirt Nummer 78, aber bitte in L", denn jedes T-Shirt ist ein Einzelstück, das exakt im angegebenen Format und keinem anderen existiert. Kommen keine Einwände unsererseits, gilt es, den angegebenen Betrag möglichst unter Nennung der T-Shirt-Nummer auf das im Impressum genannte Konto zu überweisen. Porto überallhin (sogar Österreich), Steuern, Verpackung und Personalkosten sind unbürokratisch bereits im Preis enthalten. Sobald das Geld eingegangen ist, versenden wir das T-Shirt an seinen neuen Besitzer. Jetzt ist das Glück vollkommen.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Noch mehr T-Shirts für noch mehr Leser


29.05.2007 | 11:56 | Anderswo | Alles wird schlechter

Österreichische Möbel


Frank Baumann (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Während wie jedes Jahr in Wien zu Beginn der warmen Jahreszeit die so genannten Enzis, klobige Hartschaumsitzelemente, im Museumsquartier ausgepackt werden, auf denen sich mit Begeisterung die Bevölkerung fläzt, sind jene, die vor die ETH (Eidgenössische Technische Hochschule) in Zürich gruppiert wurden, gähnend leer, hier fläzt man nicht faul, hier wird studiert. Ein anderes, sedierendes Möbelensemble wird ebenfalls gerade umgruppiert. Im Zuge der grössten Programmreform des ORF (60 neue, grösstenteils gnadenlos gefloppte Formate) wurde das gesamte Studio des Nachmittagsberuhigungsfernsehformats
Willkommen Österreich in ein ausgedientes Tierkrematorium und in die Nacht verfrachtet. Heraus kam ein Gefäss gleichen Namens, aber vollkommen anderen Inhalts. Hier wird nicht sediert, sondern Angst geschürt, Aspirin geraucht, aus Langeweile Strom erzeugt, den man hören kann, Menschen lassen sich Zähne ziehen und sie durch Holz ersetzen, Thor Kunkel wird mit Leuten mit Picasyndrom konfrontiert, Thema Reis im dritten Reich. Hin und wieder wird das Supatopcheckerbunny über die Kunst der Schleusentechnik referieren, wie Karl Heinz Böhm in Martha. Regisseur des ganzen ist offenbar ein geheimnisvoller Mann namens Frank Baumann, der seit 22 Jahren in einem mit Alufolie ausgeschlagenen Schrank lebt und sich von Globulikügelchen ernährt.

Ab 31. 5., jeden Donnerstag auf ORF 1, ab 22 Uhr 30.

Tex Rubinowitz | Dauerhafter Link | Kommentare (3)


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