29.04.2007 | 19:45 | Alles wird besser | Zeichen und Wunder
 Vergangenheit, auch nicht mehr das, was es mal war (Foto: Effervescing Elephant, Lizenz)Häuser gehen oft einfach kaputt. Man sieht es anfangs meist nicht, aber kaum wartet man mal ein paar hundert Jahre, kommt ein Krieg oder ein Tsunami und schon ist die schöne Immobilie dahin. Genaugenommen sind Häuser sogar deutlich zerbrechlicher als die meisten andere Dinge, Sterne z.B. halten klar länger und sogar die katholische Kirche ist älter als die allermeisten noch stehenden Häuser. Sehr besorgt über diese Sachlage ist man auch am NanoManufacturing Institute (NMI) in Leeds. "So kann es nicht weitergehen, wirklich nicht", haderte man dort täglich mehrere Stunden lang. Und fand die Lösung: Die Häuser sollen das Problem gefälligst selbst lösen. Ein erstes solches selbstheilendes Haus entsteht derzeit in Griechenland, einem Land voll mit leidgeprüften Ruinen. Hier die Grundidee: Zunächst stopft man das Haus voll mit Sensoren, Netzwerk und RFID-Küken, und bringt ihm bei, Selbstgespräche zu führen. "Riss, da, Ecke hinten rechts."- "Wie, Riss?" – "Weiss doch auch nicht, Erdbeben, Krieg, Schwertransporter, jedenfalls Riss." – "Ok, Riss." Hat sich das Haus auf eine Diagnose geeinigt, jammert es nicht gross rum, sondern sagt zunächst seinen Bewohnern Bescheid und füllt dann flüssige Riesenmoleküle in den klaffenden Riss, die, dort angekommen, erstarren, und die Wunde somit fachgerecht verschliessen. Anschliessend klopft sich das Haus selbstzufrieden auf den Giebel.
29.04.2007 | 10:50 | Anderswo | Essen und Essenzielles
 Die Museumsmeile in NieheimDas Westfalen Culinarium in Nieheim ist verspielt. Wenn man etwa einer Speise ein Getränk gegenüber stellt – ähnlich wie bei einarmigen Banditen – zeigt ein grünes oder rotes Licht, ob sie zueinander passen. Zum Beispiel: Weinbrand mit Rotkohl oder Lauchknust, Milch mit Pfefferpotthast mit Nieheimer Goldklumpen oder Herforder Pils mit Blutwurst vom Weideschwein gebraten. Dabei zeigt sich, dass Herforder Pils zu allem passt. Es passt zu: Kabeljau, Leberwurst, Sülze, Mettwurst, Knochenschinken, Holzofenbrot und Butter, zu Westfälischem Streusel- und Apfelsandkuchen. Herforder Pils passt auch zu Molke aus Menne's Schaukäserei natur oder zu Milchkaffee mit Söppkes, dem Sonntagsfrühstück der Westfalen.
Allgemein sind die Mitarbeiter des Westfalen Culinarium von Herforder Pils begeistert. Denn die gefühlvollen Dokumentarfilme, die das Museum zu Musik von Jan Garbarek und dem Hilliard Ensemble (Kirchenmusik mit irgendwelchem Sopraninosaxophonkram drüber) vorführt, weisen lange Einstellungen mit Herforder Pils-Plakaten auf. Es werden auch alte Herren gezeigt, die genüsslich Herforder Pils verdrücken und den Biermilchbart (gibt es das?) von der Oberlippe wischen.
Kurzum: Eigentlich könnte das Westfalen Culinarium auch Herforder Pilsianum heissen. Es bleibt nur noch, auf die Implementierung der Herforder Bierkreiszeichen zu warten.
28.04.2007 | 20:22 | Nachtleuchtendes | Sachen kaufen | Papierrascheln
 Gemütliche Diskussion über die Werke von Günter Grass. (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.) Wenn sich früher Bücher und andere Schriftstücke keiner grossen Beliebtheit erfreuen konnten, dann flogen sie kurzerhand ins Feuer. Entweder daheim in den Kamin oder unter freiem Himmel in rauschende Flammen, nicht selten umrahmt von Trubel und Volksfesten. Weil uns aber die Nazis öffentliche Bücherverbrennungen verleidet haben, wird heutzutage an grossen offenen Feuern nur noch gesoffen und gegrölt. Jetzt kann man sich die klassische Rezensionsatmosphäre aber immerhin wieder ins eigene Studierzimmer holen, nämlich mit dem neuen scheiterhaufenförmigen Firetable von fuego. Nun fehlen nur noch Fire-Schreibtische, mit deren hervorstechender Feuersbrunst man jedes drückenden Papierbergs Herr zu werden vermag.
28.04.2007 | 10:23 | Alles wird besser | Sachen anziehen
 E-Nostalgie (Foto: squelchey, Lizenz)Gummischuhe mögen der Trend des Sommers 2007 sein, aber der Faraday-Käfig ist der Trend des 22. Jahrhunderts. Elektromagnetismus, die Geissel unserer Zeit, lässt sich nur mit Hilfe von Metallgittern bekämpfen, und solange es noch Metall auf der Erde gibt, wird man reich werden, wenn man Faraday-Käfige produziert, die, wenn richtig angewendet, die tödlichen Elektronen vom Körper abwenden. Im April 2007 wurde Sarah Dacre noch belächelt. Geplagt von WLAN-Terror und Mobile-Trubel. war sie eine der ersten staatlich geprüften Elektromagnetismus-Kranken, und ihr auf dem Kopf getragenes Faraday-Netz sah für die damalige Zeit kaum unmodischer aus als ein Moskito-Schutz. Aber schon bald danach, als Atom-U-Boote fortwährend explodierten, nuklearer Regen niederging, und zu allem Überfluss auch noch die Sonne koronale Strahlenstürme auf uns warf, wurde es unerlässlich, zuverlässige Faraday-Käfige, -Hüte, und -Decken in Massenproduktion anzubieten. Der Faraday-Käfig, "their time is NOW" – als Geschäftsidee praktisch das, was die Klimaanlage im Jahr 2007 war.
27.04.2007 | 16:22 | Alles wird schlechter | Sachen anziehen
 Gummi-Clogs: "Sie werden so massiv über uns hereinbrechen, dass jeder Mensch zwei Paar gleichzeitig tragen wird." (Kathrin Passig) (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.) Wie auch immer die Menschheitsgeschichte verlaufen mag, ob linear geradeaus oder in Zyklen im Kreis herum, der unumstössliche Witz an ihr ist, dass jede Epoche mit völliger Übersteigerung ihrer Charakteristika abschliesst: Gegen Ende des Imperium Romanum wurde mehr gekotzt als gefressen, zum Ausklang der Scholastik ereiferte man sich in hässlichen logischen Spitzfindigkeiten, der Barock kippte nach der Explosion seiner kolossalen Sinnlichkeit um in die dröge Aufklärung und das Zeitalter der modernen Ideologien zerplatzte schliesslich in einem schillernden Atompilz. Was für Geschichte im Allgemeinen gilt, gilt für die Trendproduktion in Potenz: Die Anzeichen mehren sich, dass die Geschichte der Sommerschuhe sich einem vorläufigen optischen Fluchtpunkt nähert, und zwar in Gestalt von Gummi-Clogs in transästhetischen Formen und gleissenden Farbgebungen. Schon bald wird das ganze Land seine Fusswege mit diesen grobschlächtigen Pantoletten bemeistern und der furchtlose Betrachter kann sich an ihnen erfreuen, wissend, dass hier der Boden für Neues breitgetreten wird – wenn die Geschichte zyklisch läuft, dann nächsten Sommer vielleicht wieder barfuss, lediglich gekleidet in Schorf und Grind.
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IN DER RIESENMASCHINE
ORIENTIERUNG
SO GEHT'S:
- Bahn-Bashing (geht wieder)
- Filzeltern
- Laminatimitation
- Expropriateure expropriieren
SO NICHT:
- Rückständigkeit
- Quadratur des Kreises
- tausende taktische Fehler
- Grumpy Young Men
AUTOMATISCHE KULTURKRITIK
"Kiss Kiss Bang Bang", Shane Black (2005)
Plus: 10, 41, 48, 76, 77, 78, 79, 80 Minus: 1, 4, 8, 34, 115 Gesamt: 3 Punkte
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