Riesenmaschine

09.05.2007 | 01:29 | Fakten und Figuren | Zeichen und Wunder

REM goto theory


Die Herrschaft des Reptiliengehirns über den Menschen (Foto: kaptainkobold) (Lizenz)
Die Theorie, der Traum des schlafenden Wissens, ist das bunte Vehikel, mit dem die leidenden, leidenden Menschen ein wenig Sinn und Verstand in den Wirrwarr Welt zu karren hoffen. Wer eine Theorie deshalb zuerst fragt, ob sie denn auch wahr sei, tut ihr schon unrecht. Wichtiger ist, ob sie schöne Augen hat und ein gutes Herz, als Beispiele seien Velikovskys Planetenbillard und Jaynes' bikameraler Bewusstseinsursprung genannt, bei Charles Fort und seiner Gefolgschaft findet sich unerschöpflich Weiteres.

Und obwohl es schon so viele schöne, falsche und schön falsche Theorien gibt, kommen immer noch neue dazu. Die ungeklärte Frage zum Beispiel, warum der Mensch träume, und vor allem, warum er so wirren Scheiss träume, erklärt jetzt eine italienische Forschergruppe damit, dass der REM-Schlaf mit seinen Augenbewegungsorgien sich beim niedrigen Leben zur Verfestigung einfacher sinnlicher und Bewegungserfahrungen entwickelt habe, und bei uns dann eben nur noch Teile des Reptiliengehirns anspricht, die dann weiter oben traumförmige Assoziationskettenmassaker auslösen. Belegt wird diese traumhafte These mit subtilen Beobachtungen der Augenbewegungen eines einzelnen Patienten, also eigentlich gar nicht. Und so soll es ja auch sein.


08.05.2007 | 19:25 | Alles wird besser | Alles wird schlechter

Endlich mehr Zeit. Oder weniger.


Wo die Zukunft gemacht wird (cwsteeds) (Lizenz)
Wenn jeder Tag nur zwei Stunden länger wäre, wie viel besser könnte die Welt sein. Man könnte sich den Wecker stellen und dann zwei Stunden lang zufrieden die Snooze-Taste drücken, jeden Tag. "Ach ja, aber unmöglich", seufzt der Mensch. "Gar nicht unmöglich", erwidert die Globale Erwärmung, "sagt doch was, lässt sich alles einrichten!" Denn durch die Erwärmung werden die Tage länger oder vielleicht auch kürzer, genauer weiss man es noch nicht, aber als dem Optimismus verpflichtete Berichterstatter gehen wir einfach mal von einer Tagesverlängerung um die angekündigten elf Hunderttausendstelsekunden pro Jahrhundert aus. Dazu braucht lediglich der Kohlendioxidausstoss der Menschheit jährlich um 1 Prozent zu steigen. Um noch innerhalb der eigenen Lebenszeit auf die angestrebten zwei Stunden zu kommen, muss also nur der CO2-Ausstoss täglich um ungefähr zweihunderttausend Prozent gesteigert werden, woran amerikanische Wissenschaftler bereits intensiv arbeiten. Und falls die Tage stattdessen doch kürzer werden, hat das auch sein Gutes, denn wir werden dann alle weniger arbeiten zum selben Tagessatz.


08.05.2007 | 10:07 | Berlin | Zeichen und Wunder

Streuverlustangstfrei


Kryptosponsoring (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Sponsoring ist ein beliebtes Marketinginstrument, weil es allen Beteiligten famose Vorteile bietet. Sponsoren und Gesponserte tauschen Geld gegen Image und können so dem begeisterten Zuschauer Qualitätsgetöse zeigen. Der Wert für den Sponsor besteht in Bekanntheit und Sympathiesteigerung für sein Produkt. Einer der zentralen Vorteile des Sponsoring ist der geringere Streuverlust durch interessenspezifische Ansprache. Streuverlust ist, wenn man mit jemandem kommuniziert, den das überhaupt nicht interessiert. Man hat inzwischen wissenschaftlich herausgefunden, dass Menschen, die auf Damentennisturniere gehen, sich überproportional häufig für Damentennis interessieren – im Marketing ist es sehr wichtig, seine Zielgruppe so gut wie möglich zu kennen.

Und man könnte hier noch hundert Seiten Marketingfachliteratur paraphrasieren, es würde kaum den Sinnschock mildern, dass ein katarisches Telekommunikationsunternehmen ein Berliner Damentennisturnier sponsert und dafür die ganze Stadt mit teuren Plakaten vollhängt. Wen möchte Qatar Telecom damit erreichen und warum? Es gibt nicht mal eine deutschsprachige Website. Haben wir hier einen seltenen Fall von pathologischem Übersprungssponsoring? Nein, die Lösung ist sicher eine politische: Qatar Telecom möchte den Imageschaden durch die halbherzigen Zensurbemühungen ausgleichen. Die Zielgruppe soll denken "Gut, den Chat haben sie damals gesperrt, aber jetzt dieses superbunt plakatierte Damentennisding – inzwischen hab' ich sie richtig liebgewonnen und würde ihre Produkte kaufen! Wenn es sie hier gäbe." Potenzielle Kunden waren gestern; willkommen im Zeitalter der hypothetischen Kunden.


08.05.2007 | 02:04 | Anderswo

Wahn mit starrer Achse


(Foto: feaverish, Lizenz)
Wie immer sind Amerikas Blogs voll mit Enthusiasmus über den neuen Fortbewegungstrend: Nach der Pferdekutsche (damals), dem Hüpfball (lange her), dem Surfbrett (60er) und dem Skateboard (80er) erobert zur Zeit das Fixed-Gear-Bike die Welt. Seinen Vorgängern im Geiste, wenn es Geist hätte, nicht unähnlich, lässt sich das aus dem Bahnradsport stammende Fahrrad, einmal ausser Kontrolle geraten, nicht mehr kontrollieren. Aus gutem Grund, denn es hat weder Bremse (oder maximal eine) noch Gangschaltung noch Freilauf noch Rücktritt. Wie die New York Times treffend zusammenfasst, haben Räder mit starrer Achse in Sachen Verkehrssicherheit und Benutzerfreundlichkeit genau gar keinen Vorteil, dafür jede Menge Nachteile gegenüber normalen Rädern, so dass Fahrradfahren, Zitat eines offenbar Verrückten, zu so etwas wie Schach verkommt, "man muss seine Züge einen Block im Voraus planen". Dafür sehen die ultra-puristischen Fixed-Gear-Bikes deutlich besser, schneller und wahnsinniger aus als ihre konservativen Artgenossen, praktisch die Freeclimber unter den Spaziergängern oder der Hüpfball unter den Mount-Everest-Besteigern. Wird der Fixed-Gear-Boom eine Nischenerscheinung bleiben? So wie der Wankel-Motor etwa und das Eselreiten auf öffentlichen Strassen? Oder wird er, wie das Windsurfen, hasardierende Multimillionäre produzieren, die ungebremst beruflich gegen die teuersten Laternenpfähle der Welt rasen? Wie immer, wenn ein neues Kind geboren wird, sitzen die normalen Radfahrer nur hilflos am Tisch und zucken mit den Schultern. Man wird circa 20 Jahre abwarten müssen. Ungeduld macht sich breit.


07.05.2007 | 20:05 | Alles wird besser | Essen und Essenzielles | Papierrascheln

Kochen ohne alles


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Als Fachleute für theoretische Gadgetverherlichung und praktische Besitzlosigkeit freuen wir uns, dass der O'Reilly-Verlag unaufgefordert unsere Aussteuer um ein Exemplar des "Kochbuch für Geeks" von Mela Eckenfels und Petra Hildebrandt erweitert hat. Dieses sehr vorteilhafte Werk ist in drei Teile gegliedert, deren erster und für uns einzig interessanter, "Larval Stage", das Leben ganz ohne Küche behandelt. Frühstücksdrinks, Kochen mit heissem Wasser und einem Gefrierbeutel, bis hin zum letzten Schritt "Verspeisen" wird hier jedes Detail unmissverständlich und zielgruppenorientiert erklärt ("Direkt aus dem Beutel essen oder vorher in Geschirr umfüllen"). Beigelegt ist ein praktisches Periodensystem für Lebensmittel, dem man entnehmen kann, dass Hackfleisch (Ordnungszahl 1) nicht so lange geniessbar bleibt wie Salz (Ordnungszahl 108). Einziger Nachteil: Vornedrauf hätte ruhig ein Nagetier sein dürfen.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Der ganz heisse Reis


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Minus: 28, 196, 218, 219
Gesamt: 14 Punkte


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