Riesenmaschine

29.11.2006 | 19:40 | Alles wird besser

Google macht Krankheiten


Foto: plindberg
Hypochonder benutzen Suchmaschinen seit Jahren, um herauszufinden, woran sie genau leiden. Man erinnert sich zum Beispiel gut an den herrlichen Tag, an dem klar wurde, dass die leichten Brustbeschwerden, die einen seit Ostern plagen, klare Anzeichen einer schweren Angina Pectoris sind, an der man bis Mitte Mai verstorben sein wird. Ebenfalls gut belegt ist ein überdurchschnittlich hohes Vorkommen von Hypochondrie unter Ärzten. Daher stimmt es versöhnlich, dass jetzt auch Ärzte Google zur Diagnose verwenden, und ausführlich im British Medical Journal darüber berichten. In 15 von 26 getesteten Fällen lieferte Google nach Eingabe von ein paar fachkundig ausgewählten Symptomen nicht etwa eine besonders attraktive, sondern gar die richtige Krankheit. Das heisst, nicht ganz, das richtige Ergebnis fand sich nur unter den besten drei Treffern. Oh, und bei den drei besten Treffern handelt es sich nicht um die drei besten Googletreffer, sondern drei aus den ersten 30 Googletreffern manuell ausgewählte Ergebnisse, die "am besten zu passen scheinen". Und, ach, besonders spezifische Symptome muss die Krankheit auch haben, sonst geht es gar nicht. Und ausserdem ist Google natürlich ein kapitalistisches Schwein mit vier brennenden Köpfen. Aus diesen und anderen kleinlichen Gründen sind die Kommentare der typischen BMJ-Leser sowie der typischen Heise-Blogger von Missmut, Argwohn und Magenschmerzen (Gegenmittel: Raphanus sativus, Gartenrettich, zweiter Googlehit) geprägt. Die wichtige Botschaft der BMJ-Studie jedoch, die optimistisch und zukunftsfroh stimmt, lautet wie folgt: Wenn man sich auskennt und das Richtige eingibt, kann man mit Google alles finden. Andersrum: Wenn man unbedingt krank sein will, wird Google das auch bestätigen. Es ist wie der Nikolaus, dieses Internet, man sagt etwas Belangloses und dann kriegt man etwas Schönes, zum Beispiel das "Churg-Strauss-Syndrom". Sogar Atombomben soll es dort ja geben!


29.11.2006 | 11:29 | Gekaufte bezahlte Anzeige

DoorOne salzt den Klops


Irgendwas muss man ja essen (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Dieses Land ist tief gespalten. Da gibt es auf der einen Seite diejenigen, denen es weder an Saus noch an Braus mangelt, und wenn doch, dann kaufen sie sich einfach neue. Fällt ihnen einmal die Diamantbrosche in den Gully, dann jammern sie nicht, sondern suchen sich bei DoorOne, dem Rolls-Royce unter den Shopping-Portalen, unter vielen bildschönen Angeboten einen Ersatz aus.

Aber denken wir – gerade jetzt in der Vorweihnachtszeit – auch immer daran, dass mitten unter uns Menschen leben, denen es nicht so gut geht wie uns, weil sie nicht mit DoorOne einkaufen. Wenn man's denn überhaupt Leben nennen mag, dieses eintönige, freudlose Dahinvegetieren: "Wir wollen nicht zum Essen kommen, Mutti, es gibt ja eh wieder nur das gleiche doofe Fertiggericht wie jeden Tag", mault der dröge Nachwuchs, ohne von seinem Ballerspiel aufzublicken.

Dabei wäre es doch so leicht für Mutti, ihre Blagen abwechslungsreich zu ernähren! Sie müsste nur einmal bei DoorOne den Suchbegriff "Fertiggerichte" eingeben, und schon bekäme sie 35 Treffer angezeigt. Was aber tut sie nun, um in der Informationsflut nicht unterzugehen? Ganz einfach: Sie sortiert die Treffer nach Preis, von niedrig nach hoch, und schon weiss sie, was sie die nächsten Jahre kochen wird: Königsberger Klopse.

"Was passt euch denn jetzt schon wieder nicht, Zoë-Chrysanthème und Mehmet-Elvis?" – "Eine Prise Salz wäre den Klopsen überaus zuträglich." – "Einen Augenblick, ich bestelle schnell welches bei DoorOne." Great Gosh Almighty! 1633 Treffer! Donner und Doria, welch ein Spektakel! Doch Mutti behält die Nerven. Sie grenzt die Suchergebnisse ein, die coole Sau. Über die Abbiegungen "bis 10 €" sowie "Ernährung" kommt sie ans Ziel. Nun kann sie wählen zwischen Kristallsalz-Haliten aus dem Himalaya (€9,90 für 1000g), VitaCron Kräuter-Würz-Salz (€3,50 für 200g) und Quellsalz aus Rio Maior (€5.- für 500g). Der Preisvergleich ergibt: Am günstigsten ist das Original-Bullrichsalz (nur €1,89 für 250g). Und wenn Mutti beim Einkaufen so viel Geld sparen kann, dann reicht's vielleicht sogar noch zu einem neuen Ballerspiel unterm Christbaum.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Das neue System der Dinge

Klaus Cäsar Zehrer | Dauerhafter Link | Kommentare (4)


29.11.2006 | 02:29 | Anderswo | Was fehlt

Schon wieder out: Chinesische Würgefrisuren

Eigentlich alles, was es gibt, kommt ursprünglich aus China. Allein während der Tang-Dynastie (618 – 907) wurde hier so unterschiedliches Zeugs wie der Buchdruck mit Stempeln, die tickende Wasseruhr, Diabetes, der Kometenschweif, Hartporzellan, Streichhölzer oder die Zeitung erfunden. In den letzten Jahren allerdings tun sich die Chinesen, wie man weiss, etwas schwerer mit eigenen Kreationen. Das mag daran liegen, dass sich eine Innovation in China noch nicht richtig auszahlt. Dieser interessante Würgefriseurladen an der Pekinger Chao Nei Dajie beispielsweise ist schon wieder geschlossen. Vielleicht liegt aber auch die Besitzerin hinter dem seit Monaten geschlossenen Rollgitter auf dem Boden, alle Viere von sich gestreckt und an der eigenen Erfindung erstickt. Tragisch? Wie man's nimmt. Auf jeden Fall wird sie so nie erfahren, dass sie eventuell nicht die erste Würgefriseurin war. Und das hätte ihr dann doch einen harten Schlag versetzt.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: The Writing on the Wall (is the wall)

Christian Y. Schmidt | Dauerhafter Link


28.11.2006 | 19:46 | Supertiere | Alles wird besser

Blaue Ersatzflüssigkeit ersetzen


Don't eat the blue snow either (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Der Begriff Blaumachen geht bekanntermassen auf die Wollfärber im Mittelalter zurück, wollten sie Stoffe mit Indigo färben, mussten sie eine Farbstofflösung mit einem bestimmten pH-Wert anrühren. Dieser pH-Wert wurde durch Anreichern der Färbelauge mit alkoholgesättigtem Urin erreicht. Um die erforderlichen Mengen an diesem Cocktail zu erhalten, waren die armen Färber gezwungen grosse Mengen Alkohols zu vertilgen. Mit der Konsequenz, dass sie an diesen Tagen unbrauchbar waren. Es wurde eben "blau gemacht". Deshalb wohnt bis zum heutigen Tage dem Menschen der Drang inne, Körperflüssigkeiten, Inkontinenz hin oder her, beispielsweise in der Werbung, blau darzustellen, vom Katzenurin bis zum Kinderharn. Diese blau gefärbte Stellvertreterflüssigkeit, die bisher in unterirdischen Geheimlabors angerührt wurde, kann nun, wie cre.ations.net berichtete, auch im eigenen Körper produziert werden. Das Verfahren wurde bereits Anfang der 80er Jahre in der Weibliche-Ejakulations-Forschung dazu eingesetzt, herauszufinden, ob es sich beim Ejakulat um Urin handelt oder nicht. Wem das allerdings nicht ganz geheuer ist, wegen des darin enthaltenen Methylenblaus, halte sich an den blaupissenden Kaninchen schadlos, die werfen nur ein paar leckere Wegdornbeeren ein und erzielen genau das gleiche Resultat (Bild).

Tex Rubinowitz | Dauerhafter Link | Kommentare (3)


28.11.2006 | 16:57 | Supertiere

Happiness is a warm Manatee


Nicht vergessen: Am 27. und 28. Januar findet wie jedes Jahr das
Orange City Blue Spring Manatee Festival statt. (Bildquelle) (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Nachdem die Natur die Säugetiere einigermassen sinnvoll thematisch wegsortiert hatte, bemerkte sie, dass noch ein Haufen ziemlich verschiedener Tiere über war. Eines davon war die Seekuh. "Hätte die nicht eigentlich zu den Robben ... ?" dachte die Natur sich noch, aber dann: "Ach, zu spät. Stecke ich sie einfach mit zu den Afrotheria, merkt ja doch keiner." So feiert man bei Seekuhs also seit jeher gemeinsam mit Elefanten, Schliefern, Erdferkeln, Tenrekartigen und Rüsselspringern die anfallenden Geburtstage und Familientreffen, und zum aktuell laufenden Manatee Awareness Month in Florida kommen die sicher auch alle wieder gern zum Seegraskaffee vorbei, denn heimlich waren die Elefanten schon immer in die Seekühe verliebt.

Auch unter Menschen hat die Seekuhverehrung eine lange Tradition, früher verglich man sie mit Sirenen oder Meerjungfrauen, wenngleich Columbus 1493 enttäuscht feststellte, die Sirenen vor Indien wären gar nicht so schön, wie von Horaz beschrieben. Ihre drei kulturgeschichtlich bisher wichtigsten Cameo-Auftritte hatten die Seekühe, wie es sich gehört, bei Sam and Max (wo sie in "On The Road" von Landpiraten entführt werden, die sie heiraten wollen), bei den Simpsons (wo in der Episode Bonfire of the Manatees eine Seekuh Homer vorübergehend im Atomkraftwerk vertritt) und in Monkey Island (das muss man jetzt halt wissen).

Doch gibt es frevelhafterweise auch Seekuhfeinde. Die fahren mit ihren Motorbooten umher und sorgen für viele tödliche Unfälle, weil die Seekuhknochen brüchig wie Porzellan sind. Problematisch ist auch, dass Seekühe zwar so klug wie Delfine sind, dabei aber eher über eine Trial-and-Error-Intelligenz verfügen: "Manatees learn on their own. They are curious and inquisitive. They don't recognize danger by sight, but they do recognize danger by sound, especially after they have been hit by a boat once." (Pat Purcell, Seekuhexperte). Wer nachhaltig helfen möchte, kann deshalb für gerade mal 25 $/Monat eine Seekuh adoptieren, als Bonus bekommt man ein Foto und eine Biografie von seiner Adoptivseekuh. Die Elefanten werden ganz schön neidisch gucken, wenn sie das erfahren.


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