Riesenmaschine

24.11.2006 | 01:44 | Berlin | Fakten und Figuren

Kurze Geschichte des Witzes für Arme


"Acht Arme für Sie" (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Vielleicht fing alles mit "helft den armen vögeln" an, vielleicht aber auch viel früher, nämlich als Jesus das Brot brach und unter den Armen verteilte. Im Englischen ist Homonymie, Homophonie und ähnliches Zeug die Grundlage unzähliger Witze, im Deutschen geht das nicht ganz so einfach, wir müssen also möglichst oft recyceln, was wir haben. "Jung von Matt für Arme" war einst auf einem Fake-Tattoo der Werbeagentur zu lesen, und "HipHop für Arme – HipHop für Beine" hiess es bei Fischmob. Einen neuen Dreh hat in den Zeiten des Ein-Euro-Jobs die Installateursfirma BRIZ gefunden, wobei sich in der Praxis dann doch wieder herausstellt, dass es sich bei den Mitarbeitern gar nicht um acht Arme, sondern um zwei angesichts der Stundensätze vermutlich recht Wohlhabende handelt.


23.11.2006 | 18:24 | Fakten und Figuren | Papierrascheln

Zeigt her eure Handschuhe


Runde Sache (Foto: raffid / Lizenz)
Domainnamen wie myjove.com riechen streng nach meterweise Werbung, Mashups und irgendwas mit Individualisierung durch Knöpfedrücken. Tatsächlich handelt es sich um die Heimstatt des Journal of Visualized Experiments, einer neuen wissenschaftlichen Zeitschrift im weiteren Sinne, die statt Textwüsten ansehnliches Videomaterial für die Biowissenschaften veröffentlicht. Bisher fanden sich bewegte Bilder bestenfalls im Online-Anhang von Publikationen, dort finden sich nun die Protokolle zum Nachkochen als Beigabe zum Video. Der interessierte Laie kann ebenfalls mitansehen, wie embryonale Stammzellen aufgetaut werden oder das zentrale Nervensystem einer Fliegenlarve präpariert wird. Vielleicht kann er sich, wenn es darauf ankommt, erinnern, dass man das Angstverhalten von Mäusen besser nicht durch laute Geräusche testet, sondern durch die Messung des freiwilligen Aufenthalts in dunklen und beleuchteten Käfigen. Hoffen wir, dass bald nicht nur experimentelle Methoden, sondern auch Forschungsergebnisse professionell als Filmchen veröffentlicht werden. "Hallo, meine Name ist Torben Malik, Sie kennen mich bereits aus Publikationen wie 'Die Rolle der Enolase in der synthetischen Systembiologie' und 'Das humane Genom – jetzt aber wirklich'."


23.11.2006 | 12:00 | Anderswo

Das Land des Mitte

Dass Berlin das neue New York ist, weswegen viele New Yorker nach Berlin ziehen, ist lange bekannt. Seit kurzem gilt es aber auch als gesichert, dass eine weitere Weltstadt sehnsüchtig gen Deutschlands arme aber sexy Hauptstadt blickt, und zwar direkt auf deren kultigsten Kult-Stadtteil. Vor kurzem hat in Tokios Stadtteil Meguro eine Cafe-Lounge namens Mitte eröffnet, die – um alle Doppeldeutigkeiten aus dem Weg zu räumen – den Berliner Fernsehturm im Logo trägt. Wie im übrigen Tokio nimmt man es hier, zumindest, was die Preise angeht, mit der Unterscheidung zwischen Gastronomie und Astronomie nicht so genau: eine Flasche frisch eingeflogenes Beck's kostet ca. 5,80 Euro, dazu gibt es Erdnüsse und es lässt sich in älteren Ausgaben deutscher Design-Zeitschriften blättern. Alles eben richtig mittemässig, was dadurch nur verstärkt wird, dass die Bediensteten kein Deutsch sprechen, geschweige denn aus Berlin kommen.


23.11.2006 | 04:23 | Fakten und Figuren

2 sollten sich nicht zusammentun

Wenn sich zwei der allerunangenehmsten Bands der Welt zusammentun, also U2 und Green Day, und gemeinsam einen heilsbringenden Song aufnehmen, also wie es scheint, um Geld zu lukrieren für Opfer einer schon etwas länger zurückliegenden, medial perfekt organisierten und betreuten Katastrophe, mit dem leicht nachvollziehbaren Kalkül von bekannten Oberflächenreizen und Popularitätszuwachs, und gleichzeitig der Zusammenschluss der zwei grössten Banken Amerikas mit der nicht komisch gemeinten, aber sensationell harschen Interpretation eines gruseligen Songs einer dieser heilsbringenden Bands One Bank zelebriert wird, dann merkt man, dass man an irgendeiner Stelle den Faden verloren hat. Aber wenn jetzt auch noch jemand diese mammonglorifizierende Uminterpretation beginnt ironisch neuzuinterpretieren, und das ist dann auch noch ein ehrenwertes, wiewohl abgehalftertes Mitglied der "Guten", also Johnny Marr, dann, ja dann fragt man sich, wann die ostdeutsche Clownscombo Rammstein endlich gemeinsam mit der slowenischen, von ihnen haarsträubend und höchst unangenehm fehlinterpretierten Band Laibach einen Song fürs Müttergenesungsheim aufnehmen wird. Die deutsche und unerträgliche und schmierige, "gute" Band Tomte ("Schrei nicht den Namen meiner Mutter, wenn du meine Oma fickst") kann das ja noch immer irgendwann mal persiflieren, sie ist heiss drauf, man kann wetten.

Tex Rubinowitz | Dauerhafter Link | Kommentare (7)


22.11.2006 | 18:51 | Alles wird schlechter | Essen und Essenzielles

Pain of Sale


Nicht gewollt und nicht gekonnt. (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Marketing, der neue goldene Gott, die Gesellschaftsrevolution des 21. Jahrhunderts, hat viele Spielarten und eine, die viel effektiver und damit wichtiger ist, als man so von aussen mitbekommt, ist PoS-Marketing, also Werbung am Ort des Verkaufs. Ein beliebtes Konzept ist dabei der "Shop in Shop", was soviel heisst wie Shop im Shop, ein klitzekleiner Laden im Laden, also ein andersfarbiges Regal mit Logo-Aufklebern, herunter bis zum Subladen, zum Unterladen, am Ende winkt fröhlich aus der Zeitgeisterbahn ein Nanoladen. Das Problem ist aber oft, dass – soziokulturell gesprochen – hier die konzeptionelle Realitätsferne der verkrampften Marketingabteilungen auf die Bocklosigkeit der unterbezahlten Regalbefüller trifft. Ein Lehrbuchergebnis dieser Schimäre mit koksgesteuertem Gehirn und hartzenttäuschter Hand ist auf dem dafür auch niederqualitativen Foto zu sehen: Der enttäuschendste Mini-Shop im Shop, den die Welt je erblickt haben mag. Blaue Plastikrohre aus dem Baumarkt sind rund um die Ferrero-Kühlproduktpalette unmotiviert und schief ans Kühlregal gepappt; als Dreingabe kann man das Wörtchen "Rückseite" auf dem Milchschnitte-Karton lesen. Die Revolution frisst ihre Kinder®.


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