Riesenmaschine

17.10.2006 | 04:14 | Supertiere | Alles wird besser | Zeichen und Wunder

Mikrosklaven


Arbeitsbedingungen wie im Frühkapitalismus – was tun, Mikrobe? (Bild: Yuichi Hiratsuka et al.)
Sklaven sind praktisch. Ob sie als Weinreinbringer die Wirtschaft am Laufen oder zur Volksbelustigung den Kopf hin halten, ob sie Baumwolle pflücken oder DVDs über den IDE Port brennen, immer und überall ist ihr Hauptvorteil, dass der Sklavenhalter die Arbeit nicht selbst machen muss. Die ersten Sklaven der Geschichte – sieht man mal grosszügig von den Opfern der Verbrechervisagen aus der Parasitologie ab – waren vermutlich Menschen, aber recht bald wurde auch das liebe Vieh in die Knechtschaft gezwungen. Ein Durchbruch in der Versklavungsforschung wurde jetzt mit der Konstruktion eines Hamsterrades für Bakterien erzielt. Das Gerät ist so klein, dass in einen handelsüblichen Hamster eine Fantastilliarde Exemplare davon passen. Bei 2.6 Umdrehungen pro Minute pro Stück sind das 2.6 Fantastilliarden Umdrehungen pro Hamsterminute, ein bis vor kurzem noch völlig unvorstellbarer Wert des Hamsterschwindels. Hut ab, Forschung.


16.10.2006 | 16:24 | Berlin | Zeichen und Wunder | Vermutungen über die Welt

Die pinnen, die Postler


Von Globalisierung bis Chinalokalisierung (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Das Briefmonopol ist noch etwas mehr als ein Jahr gültig und besagt grob, dass nur die Deutsche Post AG Briefe befördern darf, ausser ein Wettbewerber bietet einen tollen Zusatzservice an. Wie zum Beispiel die Firma PIN Group AG, einer Unternehmung deutscher Verlage wie Holtzbrinck, Axel Springer und WAZ-Gruppe. Und während das Tapetenunternehmen Deutsche Post das Institut zur Zukunft der Arbeit unterstützt, das Anfang des Jahres durch den Vorschlag glänzte, Arbeitslose meistbietend zu versteigern, geht man bei der privaten Konkurrenz PIN AG – hier ein Foto der Filiale an der Warschauer Strasse in Berlin – anders mit der veränderten Situation auf dem Arbeitsmarkt um. Nämlich, indem man die anfallenden Arbeiten etwas verlagert und den Chinaimbiss zum Paketschalter macht. Wir freuen uns auf die nächste Stufe der Glokalisierung, wenn es heisst: "Das Büro ist nicht besetzt, bitte geben Sie ihre Sendungen in China ab."


16.10.2006 | 10:07 | Anderswo | Supertiere | Zeichen und Wunder

Von Zoo zu Zoo


Entführvorschlag
Wie die englischsprachigen chinesischen Medien erst jetzt melden, tauchte am 5. Oktober im Zoo von Shanghai ein vierjähriges Kind auf, das tags zuvor im 1.500 Kilometer entfernten Pekinger Zoo entführt worden war. Der Junge namens Xiao Hang wurde von Zoobesuchern erkannt, die sein Foto auf einer Vermisstenseite im Internet gesehen hatten. Die Polizei vermutet, die Entführer hätten Xiao Hang in dem Moment wieder freigelassen, als sie feststellten, dass er hör- und sprachbehindert war. Wie die Entführer den Jungen von dem einen in den anderen Zoo transferierten, erklärte die Polizei nicht. Eventuell handelt es sich also gar nicht um eine Entführung, sondern um den ersten geglückten Menschenteleportationsversuch, durchgeführt von irgendwelchen hochintelligenten Nagern. Oder Bären. Oder Katzen. Von Tieren jedenfalls.

Christian Y. Schmidt | Dauerhafter Link | Kommentare (6)


16.10.2006 | 01:22 | Anderswo | Alles wird besser

Der elektrische Unkrautjäti


Sieht aus wie ein Unkrautjäti, ist aber keiner. (Foto: peyri)
Es klingt wie eine ausgezeichnete Idee. Statt Felder mit grossen Mengen von Flüssigkeiten mit komplizierten Namen einzusprühen, damit böses Kraut zuhause bleibt und gutes Kraut frohlockt, schickt man niedrige Niedriglohnarbeiter mit der Nase an der Scholle ins Feld, die das Unkraut abschneiden, und Gift auf den Stumpf tun. Und wäre es nicht praktisch, wenn diese pflegeleichten Helferlein, statt Mittagspause zu machen, sich einfach von Sonnenlicht ernähren könnten? So dachten sich Studenten an der Universität von Illinois das, weil sie die Nase voll davon hatten, selbst durchs Feld zu krabbeln, und also bastelten sie sich einen autonomen Solarroboter zur Unkrautbeseitigung. Könnte dieses Meisterwerk sich auch noch selbst aus Ackerscholle und Pflanzenabfall replizieren, die grausame Herrschaft des Unkrauts über den Menschen könnte schon bald gebrochen sein – wenn, ja, wenn die Erfinder dem Jäti nicht auch noch einen Internetanschluss eingebaut hätten. Und wer Unkraut jäten ginge, wenn er auch im Internet Roboterporno gucken könnte, ist zum Jäten doch garantiert zu doof.


15.10.2006 | 15:18 | Anderswo | Sachen anziehen

Gebärmuttersarg


Sarghammer (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Die Ga sind eine kleine Volksgruppe im Süden von Ghana. Die Ga glauben, die Toten würden im Jenseits wieder arbeiten müssen und um ihnen dort den Berufseinstieg zu erleichtern, beerdigt man die Toten gerne in wunderschönen Särgen. Fischer in Fischen, Ananaspflanzer in Ananassen, Geschäftsleute in Mercedessen und ein Metzger in einem Schweinefuss. Symbole sind ebenfalls sehr beliebt, solche des Status (Turnschuhe, Colaflaschen) und solche der Magie (Schlangen, Hähne). Kane Kwei und sein Nachfolger Paa Joe sind die bekanntesten Sargbauer und gerade werden sie von der westlichen Kunstwelt entdeckt. Vermutlich sehen die Kuratoren und Kunstsammler darin Claes Oldenburg von und für Arme mit einem Schuss naiver Exotik und fertig ist die Kunst. Und an fremden Kulturen Interessierte sehen darin etwas herrlich Verrücktes und gleichzeit so Tiefgründiges und selbst-im-Tod-so-voller-Lebenslustiges, dass Paa Joe bald nur noch in den Westen liefern wird, zum Beispiel an die amerikanischen Gynäkologin, die sich eine Gebärmutter bestellte.

(Zum Thema: Regula Tschudi, "Die vergrabenen Schätze der Ga – Sarg-Kunst aus Ghana")


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