Riesenmaschine

19.08.2008 | 14:13 | Alles wird besser | Essen und Essenzielles

Seegras für Abgehobene


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Endlich ein neuer Dreh in der allmählich wirklich nervigen Energiefrage: Auf der Verpackung der Seegras-Muffins der Firma Monchongloong erfolgt die Angabe der Nutrition Facts dreimal, wobei jedesmal andere Teile in chinesischen Zeichen gesetzt sind, darüberhinaus sind die Zahlenwerte auf kundenfreundliche Art sehr unterschiedlich. Die gesamte Hundert-Gramm-Packung enthält Portionen zu je 25 g, und zwar je nach Tabelle etwa 3,5 bis 4 davon. Eine der Tabellen ist offenbar gedacht für Menschen auf krasser Diät: pro Portion nur 88 kcal, 0,57 g Fett (davon gesättigt 1 g), 0,1 g Protein, 0,9 mg Kohlenhydrate (davon 2 g Zucker), 0,3 mg Salz. Was in den restlichen circa 23 g ist, erfährt man leider nicht. Die zweite Tabelle ist nur für Arktisreisende und Sahelzonenbewohner zu empfehlen: 352 kcal pro 25 g, in denen sich plötzlich auch fünfmal mehr Fett (2,26 g), zigmal so viel Zucker und viermal so viel Salz befinden. Wer diese Tabelle liest, wird endlich richtig satt. Die dritte Liste liegt energiemässig irgendwo in der Mitte zwischen den Extremen, mit etwa 100 kcal, aber total überraschend dann volle 8g Fett und 12g Zucker. Mathematisch macht das zum ersten Mal etwas Sinn, weswegen davon auszugehen ist, dass es sich hierbei um so was wie die Wahrheit handelt. Für die 2 Prozent nicht ernährungsgestörten Menschen auf dem Planeten. Monchongloong – hier isst jeder, was er sich selbst vorstellt. Und hier erlebt die Arithmetik ihre erste post-Riemannsche Renaissance.

Bei den Seegras-Muffins handelt es sich im übrigen um ein ausgezeichnetes Lebensmittel. Zu kaufen in Taiwan (vermutlich) und überall dort, wo sie im Regal stehen.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Korrektes Zitieren auf Müslipackungen


16.08.2008 | 13:16 | Anderswo | Alles wird besser

Forestle – Gefunden!


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Einmal Googeln verbraucht so viel Strom wie eine Stunde Glühbirne brennen lassen, und dann hat man noch nicht mal Licht. Oder so ähnlich oder so ähnlich oder so ähnlich. Man ahnt, dass der verantwortungsbewusste und ressourcenschonenende Umgang mit dem Internet bald zum Megathema wird, nämlich genau dann, wenn sich der Individualverkehr mit dem Durchbruch des Wasserstoffautos aus der Schusslinie genommen hat, also schon 2009. Bis dahin muss man sich mit den aus dem Flugbereich beliebten Gute-Gewissen-Freikauf-Programmen behelfen: Die neue Suchmaschine Forestle etwa verspricht die kostenlose Rettung von 0,1 m² Regenwald bei jeder Suchanfrage (so funktioniert es), womit eine "Regenwaldfläche der Grösse Ihres Bildschirms für die Ewigkeit bewahrt" wird, iPhone-Nutzer scheiden als Zielgruppe also aus. Zwar wurde das Prinzip "nutze unser Produkt und rette damit soundsoviel Regenwald" durch die Krombacher-Aktion und ihre Wiederauflagen etwas ins Lächerliche gezogen, und man kann sich selbst klar machen, wie wenig 0,1 m² im Vergleich zur weltweiten Regenwaldgesamtfläche sind. Aber andererseits kommen bei Forestle ganz normale, handelsübliche Google-Suchergebnisse heraus und es gibt zusätzlich sogenannte Indikatoren, die vielleicht auch irgendwer sinvoll nutzen kann, also warum eigentlich nicht. Einziger Schwachpunkt bleibt der dumme Name, der, wie auf der Seite erklärt wird, "eine Mischung aus dem englischen Wort 'Forest' (Wald) und aus dem Markennamen unseres Suchpartners 'Goog-le'" sei. Denn wer will schon forestlen? Da hätte man die Seite auch Forgoog nennen können. Oder Googest, Forrel, Restle, Woodle oder Gumple.

Beim Schreiben dieses Beitrags wurden übrigens 1,6 m² Regenwald für die Ewigkeit bewahrt. Das ist eine Fläche von der 16fachen Grösse Ihres Bildschirms.


15.08.2008 | 08:15 | Zeichen und Wunder

Man schreibt nie zweimal in dasselbe Blog


Foto, Lizenz
Mark Cuban kennt wohl jeder. Er hat zweimal seine Firma verkauft, einmal für sechs Millionen Dollar an Compuserve, einmal für sechs Milliarden an Yahoo. Wenig überraschend handelte es sich um vollkommen unterschiedliche Firmen. Denn man verkauft nie zweimal dieselbe Firma.

Mark Cuban ist eine Legende. Ihm gehören knapp drei Milliarden Dollar, und er steht im Guinness Buch der Rekorde, weil er via Internet 40 Millionen seiner Dollar in einen Gulfstream-Jet umtauschte. Er erstand eine Basketballmannschaft für 285 Millionen und bald wird ihm auch eine gehören, die Baseball spielt. Er ist vermutlich der einzige Mensch im Universum, der anderthalb Millionen Dollar Strafe für Schiedsrichterbeleidigungen bezahlt hat. Denn jeder Dollar, den man heute besitzt, ist morgen schon ein ganz anderer Dollar.

Mark Cuban ist ein Genie. In seinem Blog "Blog Maverick", dem Mark-Cuban-Weblog, lässt er uns an seinem Genie teilhaben. In seinem vermutlich kürzesten Beitrag aller Zeiten vermerkt er luzide, dass wir nicht in der Welt wohnen, in der wir geboren worden sind. Mit anderen, Marks, Worten: You Don't Live in the World You Were Born Into. Mit nochmal ganz anderen (jetzt wirklich) Worten: Unaufhörlich rinnt die Zeit davon. Dinge ändern sich. Aus Bäumen werden Mobiltelephone. Aus Giraffen Nähzubehör. Und wenn Mark Cuban das nächste Mal in sein Weblog sieht, wird er ganz viele sogenannte Kommentare finden. Nichts bleibt so, wie es einmal war.

Mark Cubans Gehirn ist jetzt im Moment schon ein ganz anderes als noch am 12. August. Dieser Blogeintrag wird sich sofort nach seiner ordnungsgemässen Verwendung in ein Walross verwandeln. Das Wetter war auch schonmal anders.


14.08.2008 | 01:43 | Berlin | Zeichen und Wunder | Vermutungen über die Welt

Konservative Wände


Foto mit freundlicher Genehmigung von Nomsa Buchholz, von der wir auch die Idee haben.


Graffiti- und Street-Art-Künstler sind die weissen Ritter der steten urbanen Neuerfindung, die Adepten des Temporären. Denn während andere Kunstrichtungen darauf angelegt sind, für Jahrhunderte in Museen zu hängen oder zu stehen, ist in der Street Art schon im Moment des Schaffensprozesses klar, dass die Werke nur eine begrenzte Lebensdauer haben. Nur wenig später werden sie Malern, Plakatklebern, Reinigungsfirmen, Abriss, Witterung oder anderen Sprayern zum Opfer fallen, dann muss wieder was Neues her. Daran hatte auch die vereinzelte Domestizierung durch die Museumskultur, von Basquiat bis Banksy, nichts ändern können. Bisher. Doch jetzt steht eine Wende an: In der Oppelner Strasse in Kreuzberg wurde an eine frisch gestrichene Hauswand ein Foto der Hauswand im alten Zustand aufgehängt, als Erinnerung an die verloren gegangenen, übermalten Tags.

Nostalgie statt Zukunftsglauben, Konservativismus statt Veränderung – es ist klar, wohin das führen wird: Wenn in einigen Jahrzehnten die Sprayer den Gang durch die Institutionen vollzogen haben, wird Street Art unter Denkmalschutz stehen. Es wird Bauvorschriften geben, nach denen Neubauten zu mindestens 60 Prozent besprüht und beklebt sein müssen. Haussanierungen werden von promovierten Kunsthistorikern überwacht, die bis auf den Monat genau die verschiedenen Graffitistile der Jahrtausendwende unterscheiden können und sicherstellen, dass die originalen Farben und Auftragstechniken Verwendung finden. Ganze Industriezweige werden von diesen Massnahmen leben und die Deutsche Post wird es überhaupt nur noch geben, weil sie das Verkaufsmonopol auf Paketaufkleber hält. Gleichzeitig wird sich eine subversiv angehauchte Jugendkultur bilden, deren Vertreter nachts in Zugdepots einbrechen, um mit Hochdruckreinigern das Graffiti von den Zügen zu bomben – immer auf der Flucht vor der Polizei und den privaten Sicherheitsdiensten, die der mächtige Lobbyverein YesFitti auf sie angesetzt hat.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Neuer Trend zur Höflichkeit II


12.08.2008 | 20:29 | Fakten und Figuren | Listen | Papierrascheln

Markwort – Allein zu Haus


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Gut, Sommerloch, klar. Der Riesenmaschine ist die Problematik temporären Themen- und Autorenmangels zwar fremd, Verständnis hierfür bringen wir aber natürlich dennoch auf. Also so prinzipiell. Für den Focus zum Beispiel: "Schnell! Schick! Sparsam!", so diese Woche die dreifaltige Fakten-Fakten-Fakten-Alliteration, die das nächste grosse Ding in Sachen Benzinkostenvermeidung propagiert. Das Nachrichtenmagazin bringt einen völlig neuen Aspekt in die Diskussion um die begrenzten Ressourcen der lieben Mutter Erde ein, indem es den ungläubigen Funkspothörer an seiner knallhart recherchierten Zauberformel teilhaben lässt: "Mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren".

"Hey! Aber ja doch!", denkt sich da selbst das Supatopcheckerbunny, "da hätte ich aber auch selbst und auch früher auch schon mal darauf kommen können!" und kauft sich voller Neugier das bunte Heft mit dem Titel: "Spar Sprit – Fahr Rad!" Und der dicke Mann beim Focus, der zur Urlaubszeit etwas verloren wirkt – so ganz alleine am riesigen Redaktionstisch – wirft sich weiter selbst die Bälle zu. Die Themen der nächsten Wochen hat er bereits alle im Kasten:

Die neue Gang-Art: Schlendern – entschleunigt, entspannt, entertaining! Toll: Ihr Körper bringt schon alles mit, was sie dazu brauchen!

Lesen – Draufschauen. Dekodieren. Denken. Optische Informationsaufnahme neu entdeckt. Die 20 beliebtesten Buchstaben im praktischen Merkheft im Hosentaschenformat.

Kaffeetassen – klobig, knallig oder klein? Welche Modelle gibt es, was muss ich beim Kauf beachten?

Möbeldilemma: Tisch oder Stuhl? Sitzen, Seufzen, Sorgenmachen. Beide haben ihre Vor- und Nachteile. Eine Übersichtstabelle auf 13 Sonderseiten hilft bei der Entscheidungsfindung.

Mit Freunden treffen -- unterhaltsam, ulkig, unbeschwert oder zickig-zermürbende Zeitverschwendung? Grosser Service-Teil mit Brettspiel zum Heraustrennen.

Der einsame Mann im Spiegelhochhaus hingegen tut sich schwer: Ob man nächste Woche mal "Macht Masturbation blind?" titeln sollte? Oder es vielleicht auch einfach mal ganz lässt, einfach mal eine Woche aussetzt? Das muss doch auch mal möglich sein!


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