19.04.2010 | 16:48 | Zeichen und Wunder
Am Schnittpunkt von Gefühl hoch Herz und Anstrengung hoch Herz liegt das sentimentale Gleichgewicht. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.) Der menschliche Geist ist schon ein tolles Gerät. Schüttelt man ihn, fallen aus ihm Goldbach-Konjekturen, Goldberg-Variationen, und Goldstein-Schwartz-Rohre heraus, wie Geschenke aus dem Sack eines Weihnachtsmannes, der nicht ganz dicht ist. Ein funkelndes Juwel funkelnder Originalität ist unser Kopf. Und was tun wir damit? Wir sexen rum, den lieben langen Tag.
Zugegeben, auch das Rumsexen kann unterhaltsam sein, aber überwiegend sind all die Verirrungen und Verwirrungen, die das Geschlechtliche in die Welt trägt, von minderer Ästhetik und wenig produktiv. Das ist insofern erstaunlich, als die evolutionäre Psychologie uns unterjubeln will, dass wir all die tollen Sachen nur können, um beim Rumsexen abzuräumen – aber dass es in einer regelhaften Welt Widersprüchlichkeiten gibt, ist ja nun kein Widerspruch.
Und ohnehin gibts seit Mittwoch eine Synthese, eine Vermählung abstrakter Schönheit mit den Niederungen irdischer Liebe, eine chymische Hochzeit der Mathematik mit dem Gefühl zu vermelden: Im wundersamen Artikel "A Mathematical Model of Sentimental Dynamics Accounting for Marital Dissolution" nämlich, und seinen tausendschönen Abbildungen. Darin geht es um den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik der Ehe, um die globalen Differentialgleichungen der Sentimentaldynamik und einen ersten Ansatz zur Scheidungsmechanik. Scheidungs-Lagrangefunktionen und die Quantentheorie der menschlichen Bindungsorbitale stehen vor der Tür! Ein tolles Gerät, dieser Geist.
17.04.2010 | 01:58 | Alles wird besser | Essen und Essenzielles
Hier war ein Foto einer Dose Xyience Xenergy, aber kann man sich ja denken, wie so was aussiehtDie Zukunft der Energydrinks muss neu geschrieben werden. Das gilt natürlich nur, falls die Zukunft überhaupt schon geschrieben worden ist und wenn ja, von wem, was niemand so genau weiss. Deshalb zunächst einmal etwas über die Vergangenheit, so eine Art Zukunft für Arme. Dort nämlich wurde vor einem Jahr oder so bei Xyience beschlossen, eine Xenergy-Serie aus Energiegetränken herzustellen, die nicht nur alles enthalten, was man in so einen Trunk hineinhauen kann (Taurin, Koffein, Guarana, Gingseng, Vitamine X, Y, Z), sondern ausserdem auch noch nicht nach Pferdeurin schmecken wie nahezu alle Vorgänger. Das muss als mittleres Weltwunder gelten, ein Perpetuum Mobile in Flüssigform, hat sich die Wissenschaft doch vor geraumer Zeit darauf verständigt, dass Energydrinks immer, immer, immer nach Pferdeurin schmecken. Xenergy gibt es in X verschiedenen Geschmacksrichtungen, von denen eine, Cherry Rush, gnadenlos herausragt und den Rest des Getränkesektors mit einem machtvollen, satten Fump plattmacht. Cherry Rush schmeckt wie eine Mischung aus New Age, Panprotoexperimentalismus und stark gezuckertem Möbiusband, und viel mehr kann man von der Zukunft kaum verlangen. Wenn sie denn nur endlich mal käme.
12.04.2010 | 14:56 | Berlin | In eigener Sache
Debattierclub trifft Echtzeitweb (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)Nach Powerpoint-Karaoke und Domain Name Scrabble bringt die ZIA am 15. April die Mutter aller Improvisationsformate auf die re:publica-Bühne: Der Laberflashmob ist eine Live Lecture Battle, bei der mehrere Teams gegeneinander antreten und jeweils zu einem Zufallsthema kollaborativ in einem Skype-Gruppenchat einen Vortrag schreiben. Dieser wird zeitgleich mit dem Schreibprozess auf der Bühne von einem Team-Mitglied dem Publikum als Lecture vorgetragen – wie das aussehen kann, zeigt unser Telepronto-Vortrag aus dem letzten Oktober. Eine hochkompetente Jury beurteilt gnadenlos Kohärenz der Argumentation, sprachliche Eloquenz und Gesamtperformance, kürt am Ende des Abends den Sieger und verteilt tolle Preise. Ein bunter Spass für fingerschnelle Netzviecher, moderiert von Holm Friebe, dem Peter Frankenfeld des Improformatzirkus!
Anmeldung Die Anmeldung erfolgt vorab per Mail an mail@riesenmaschine.de – first come, first serve, wir bestätigen schnellstmöglich, ob ihr dabei oder auf der Warteliste seid. Es werden ein Teamname und die Namen der Teammitglieder (mindestens vier plus Sprecher) benötigt. Vor Ort anwesend muss nur der Sprecher sein – der Rest des Teams kann irgendwo in der Weltgeschichte rumsitzen.
Ablauf Ein Vortrag dauert minimal 10, maximal 15 Minuten, danach gibt es Feedback von der Jury. Die Themen werden eine halbe Stunde vor dem Vortrag an die Teams verschickt. Es wird empfohlen, einen eigenen Laptop mitzubringen (VGA-Adapter nicht vergessen!). Notfalls kann aber auch unser Notebook, mit unserer Skype-Version und -Konfiguration, genutzt werden.
11.04.2010 | 14:15 | Sachen kaufen | Sachen anziehen
(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)Was in unserer Sprache fehlt, ist ein Wort für Waschdyslexie. Nicht wie man Gold aus dem Fluss wäscht, oder sich selbst den Hals, sondern wie und womit die Kleidung, denn die Waschmittelindustrie legt ein enormes Innovationstempo vor, so dass man immer damit rechnen muss, dass die Form des Waschens, die man gestern gerade gelernt hat, heute der letzte Dernièrengag ist, und wenn man nicht aufpasst, zu Knötchen und Formverlust führt. Wäscht man mit Dosiersäckchen und -kugeln, Megaperls, Tabs, farbigen Körnern, Konzentrat, Gel, mit Nüssen, bei kaltem Wasser, mit gar keinem Wasser, mit Steinen? Und vor allem muss man wissen, was man womit anrichtet, auslöst, bewirkt, darf ich nur Kaschmir mit Kaschmirextrakten waschen, oder wird auch der lehmstarrende Kartoffelsack flauschig, was sind Vergrauungsinhibitoren und wie frisch bleibt Lenor Aprilfrisch im Mai und dem Rest des Jahres?
Ariel hat die Not zur Gunst der Stunde gemacht, und ist wieder zurück auf Anfang gegangen. Mit dem neuen Fleckentferner Pulver werden zwei essenzielle Punkte gelassen ausgesprochen, die Sehnsucht nach dem guten alten Pulver und der Weg zurück zur eigentlichen Aufgabe: Flecken rausmachen. Doch ach, wie immer haben wir die Rechnung ohne den Wirt gemacht, die Waschsprache ist und bleibt ein Filou, die Dinge sind nicht das was sie scheinen, denn es ist nur ein Waschkraftverstärker, der in Kombination mit anderen Waschmitteln, sich eigenständig wie ein Marschflugkörper den Feind, also die Flecken suchen und entfernen soll.
Was war eigentlich zuerst da, die Waschmaschine oder das Waschmittel?
08.04.2010 | 23:07 | Anderswo | Supertiere | Effekte und Syndrome
Japanische Därme stellt man sich anders vor. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)Viel wurde schon geforscht über die Unterschiede zwischen den Nationen. Wo die eine Nation aufhört und die nächste beginnt, oder wer in ihnen leben dürfe, waren in vergangenen Jahrhunderten wichtige Themen zahlreicher internationaler Kongresse. Auch Humorneigung der Bewohner, örtliche Toxoplasmose-Durchseuchung, sowie durchschnittliche Längen sämtlicher messbarer Körperteile wurden längst sorgfältig protokolliert. Vor diesem Hintergrund ist erstaunlich, dass erst zu dieser späten Stunde Licht auf den grossen weissen Fleck der internationalen Differenzenforschung fällt, oder vielmehr auf den grossen braunen Fleck, auf den Dünndarm der Völker.
In ihm leben bekanntlich Bakterien in solcherner Anzahl, dass das Gerücht die Runde macht, es seien mehr Bakterien als Körperzellen im Menschen drin, bislang ein verstörender Gedanke, wenn man gerne verstört ist, aber wie die robusteren Naturen wissen, sind diese Bakterien unsere Freunde. Wir füttern sie mit probiotischem Joghurt und sie erzeugen Darmwind – Symbiose nennt's die Biologie. Ein praktisches Nebenprodukt der Darmwindproduktion ist die Verdauung von für den Menschen sonst unverdaulichen Substanzen, von Eternit vielleicht, oder Lakritz oder tausendjährigen Eiern.
Oder zum Beispiel von Sushi. Japanische Dünndärme, das haben Forscher jetzt herausgefunden, enthalten Bakterien mit einem speziellen Gen, das ihnen die Verdauung von Algen erleichtert. Nordamerikanische Dünndarmbewohner haben dieses Gen nicht. Die japanischen Dünndarmbewohner werden sich das Gen wohl aus Bakterien im Essen geholt haben, folgern die Autoren, und dass vermutlich all die darmwindverursachenden Bakteriengene da her kommen. Esst also mehr Bakterien! Es ist gut für die Darmwinde.
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IN DER RIESENMASCHINE
ORIENTIERUNG
SO GEHT'S:
- From: Dispo To: Dispo
- Dinge erbaulich finden
- Melancholie (Ausstellung)
- gut gemachte Immanenz
SO NICHT:
- Literaturattrappen
- Klempnerfalte
- Melancholie (zur Schau stellen)
- etwas überinstrumentiert
AUTOMATISCHE KULTURKRITIK
"Avatar", James Cameron (2009)
Plus: 1, 67, 73, 80, 96 Minus: 1, 13, 19, 41, 45, 46, 60, 99, 140 Gesamt: -4 Punkte
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