Riesenmaschine

04.02.2006 | 16:54 | Anderswo | Alles wird schlechter

Knülle Vögel


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Nachdem übertragbare Vogelkrankheiten in Kerneuropa nicht so recht zu greifen scheinen, assimilieren sich Zugvögel aus Russland wie der Seidenschwanz lieber gleich, indem sie die hiesigen krank- und totmachenden Gepflogenheiten aufgreifen, gegorenes Obst zu sich nehmen, gegen eine Fensterscheibe fliegen und an Genickbruch sterben, noch bevor die Leberzirrhose sie einholen kann. Nun sind besoffene Tiere nichts Ungewöhnliches, jeden Herbst kommt aus Skandinavien die Meldung vom beschwipsten Elch im Supermarkt. Die Biene hingegen ist so knülle, dass sie es weder schafft zu randalieren, sich umzubringen, noch nach Hause zu torkeln, sie rutscht einfach mit den Kumpels unter den Tisch. Wie aber ergeht es eigentlich dem Insekt, das sich sich ausschliesslich von faulem, vergorenen Obst ernährt, z.B. der Fruchtfliege? Kracht sie gegen die Fensterscheibe und bricht sie sich das Genick, oder bricht sie in Supermärkte ein, wird sie schweigsam, wird sie aggressiv?
Weil sie offenbar, wie Herbert Grönemeyer einst krähte "schon als Baby blau" ist, ist ihre Alkoholtoleranz so gross, dass sie, wie Tests im Inebriometer ergaben, schon beim zweiten Gelage vollkommen nüchtern blieb. Aber ist das erstrebenswert? Ist der Sinn des Betrinkens nicht das Besoffensein? Kann die Fliege auch ohne Alkohol fröhlich sein? Aber WAS macht sie dann fröhlich? Meldungen über sterbende Seidenschwänze? Sie wäre dann das erste und einzige Tier, das schadenfroh ist.

Tex Rubinowitz | Dauerhafter Link | Kommentare (2)


04.02.2006 | 12:12 | Zeichen und Wunder

Schläft ein schmutziges Lied in allen Dingen


Guerillakommunikation der Gegenstände (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Im Animismus glaubt man an die Beseeltheit von Gegenständen, wobei mit Gegenständen in der Regel gehobene Wohnsitze wie Berge, Pflanzen und Elemente gemeint sind. Trotzdem deutet vieles darauf hin, dass es in der animistischen Geisterwelt irgendwelche warenbewohnenden Unterteufel oder aus Karmagründen in Warenform wiedergeborene Xavier-Naidoo-Fans geben muss, denen es immer wieder gelingt, sich mit ihren perfiden Plänen an Produkttests, Marktforschungsabteilungen und Fokusgruppen vorbeizuschmuggeln. Anders als durch einen den Gegenständen selbst innewohnenden Willen zum Schlechten lassen sich Erscheinungen wie die für ein Getränk doch recht unselige Namenswahl "PITÚrinha", aber auch der uPod, Schrauben aus Schaumgummi und die FAZ-Aboprämien-Uhr jedenfalls kaum erklären.


04.02.2006 | 00:45 | Alles wird besser | Zeichen und Wunder

hitherto unobserved


Risque: Nelke links, Veilchen rechts (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Als Charles Wheatstone im Jahr 1838 der Royal Society in London sein frisch erfundenes Stereoskop vorstellte, überschrieb er seinen Aufsatz mit "On some remarkable, and hitherto unobserved, phænomena of binocular vision". Man muss sich zwar ein wenig wundern, dass es Jahrtausende dauerte, bis mal jemandem auffiel, dass die Welt entschieden anders aussieht, wenn man mal ein Auge zudrückt. Aber kaum war die Beobachtung gemacht, schon sprossen überall ulkige Stereofotos aus den Journalen. Bäume, Häuser, nackte Menschen, den Bildern waren plötzlich keine Grenzen mehr gesetzt.

Hundert Jahre länger dann dauerte es, bis jemandem auffiel, dass der Mensch nicht nur zwei Augen, sondern ja auch zwei Ohren hat, und das Stereoding also womöglich auch mit Geräuschen klappt. Um 1940 stellte Western Electric die erste Stereoanlage vor. Endlich konnte man hören, dass das Triangel neben der Pauke sitzt und ob der Bassist links oder rechts vom Gitarristen steht. Unendlicher Hörgenuss!


Eine hier, eine daneben. Riecht man doch (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Weitere siebzig Jahre später ist heute, und wieder steht ein Durchbruch auf der Tagesordnung. Wissenschaftlern ist jetzt nämlich aufgefallen, dass die meisten Menschen nicht nur zwei Augen und Ohren, sondern auch zwei Nasenlöcher im Kopf haben. Heutzutage piesackt man Ratten, wenn man was über Menschen wissen will, und tatsächlich: Ratten riechen Stereo. Noch duftet die Nachricht wie ein frischgepflückter Blumenstrauss, aber man darf sicher sein, dass in irgendwelchen finsteren Produktdesignerkellern Schimpansenhorden längst an Weinen mit Stereobouquet arbeiten, und an Stereoparfümen in originellen Flakons.

Die nächste Durchbruchsmeldung, "Mann mit gespaltener Zunge schmeckt Stereo", versteht man leider erst, wenn in ein paar Jahrzehnten die Zeit reif ist und der richtungsschmeckende Komodowaran die Ratte als Versuchskarnickel abgelöst hat. Habt Geduld.


03.02.2006 | 15:57 | Berlin | Alles wird besser | Alles wird schlechter

BVG goes Ballermann


Ilona & Peter wünschen den Berliner Verkehrsbetrieben
viel Erfolg bei der Neugewinnung von Kunden und
den Hörern des Titels viel Freunde bei diesem "Ohrwurm". (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Wer für einen gummierten Fetzen Papier 650 Euro ausgibt, ist entweder Briefmarkensammler oder BVG-Kunde oder bescheuert, manchmal auch alles auf einmal. Wie um letzteres zu bestätigen, gibt die BVG ihren hochgeschätzten Abonnementkunden 2006 noch ein Geschenk obendrauf: einen Gutschein für eine CD mit dem BVG Abo-Song, einzulösen in jedem Servicecenter, solange der Vorrat reicht.

Der Song ist – wie nicht anders zu erwarten – absolut unterirdisch, der Text gleisbetterschütternd:

Willst du ins Hardrock-Café gehn / oder brauchst du Fitness pur
Im Revuetheater 'ne Show ansehn / ins Museum zur Kultur
Ob Grossereignis und Event / das ist ganz einerlei
Mit deinem Abo der BVG / bist du überall mit dabei

Refrain:
Da kannste fahren, sparen und noch vieles mehr
Und wenn du willst, dann steppt für dich sogar der Berliner Bär
Da kannste fahren, sparen, und was nicht jeder weiss
Du bekommst die ganze Stadt zum Sonderpreis

Musikalisch muss man sich das Ganze in etwa so vorstellen, als ob Mickie Krause eine U-Bahn von Berlin nach Arenal baut. Das durch Corporate Hymns verbreitete Grauen mag grenzenlos sein, doch da ist Licht am Ende des Tunnels: in England, wo man traditionell in praktisch allen Bereichen immer ein paar Schritte weiter ist, gibt es bereits erste Customer Hymns.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Drama Firmensongs geht weiter

Natascha Podgornik | Dauerhafter Link | Kommentare (9)


03.02.2006 | 14:35 | Fakten und Figuren | Papierrascheln | Vermutungen über die Welt

Postialische Zustände


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
In den 80er und 90er Jahren kam es in den USA zu einer Reihe von Amokläufen, die eines gemeinsam hatten: bei den Tätern handelte es sich um Mitarbeiter des United States Postal Services, die die eigenen Mitarbeiter am Arbeitsplatz hinrichteten. Die Taten wurden so berüchtigt, dass sich bald eine neue Sprachwendung fand, "Going Postal" (auf die sich unter anderem auch das Videospiel "Postal" bezieht).

In Deutschland scheint das Risiko eines amoklaufenden Postbeamten eher gering zu sein, weil die Beamten ihren Dampf einfach am Kunden ablassen können. Doch in den USA wurde vor wenigen Tagen, am 30. Januar dieses Jahres, die Serie um einen weiteren Amoklauf verlängert. In Goleta, Kalifornien erschoss ein ehemaliger Postangestellter sechs seiner Ex-Kollegen, bevor er sich selbst mit einer Pistole das Leben nahm. Schaut sich man diese beiden Kundenrezensionen von Postarbeitern eines 1997 erschienen Buches an, dass das Postal-Phänomen zum Thema hat, so scheinen die Postamokläufe in den USA kein Zufall zu sein.

Diese Meinung vertritt auch Mark Ames, einer der Herausgeber und Gründer des Satiremagazins Exile, der mit seinem Buch "Going Postal" eine gründlich recherchierte Analyse der Amokläufe in amerikanischen Postämtern und Schulen geschrieben hat. Ames zieht Parallelen zwischen den Zuständen, die zu den amerikanischen Sklavenaufständen im 18. und 19. Jahrhundert führten und den Arbeitsbedingungen im heutigen Corporate America, deren Trostlosigkeit er in allen deprimierenden Details beschreibt. Schliesslich, so Ames, sollte man nicht versuchen, Profile der potentiellen Täter zu erstellen, denn: "It is the workplaces and schools that need to be profiled."


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