Riesenmaschine

07.11.2006 | 18:54 | Supertiere | Essen und Essenzielles

Neologismus Entenmunition


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Es ist alles nicht so einfach in der heutigen Warenwelt. Früher, als die Produkte noch nicht ausgereift waren, konnte man mit echten Produktvorteilen werben, zum Beispiel als Hersteller für Entenmunition. Hersteller A überzeugte mit besonders geringen Schrotrückständen im Entenleichnam, die Munition von Hersteller B war dafür extrem leicht und die von Hersteller C hatte diese spezielle Feuchtigkeitsresistenz. Mittlerweile kann sowohl A als auch B (hat C zwischenzeitlich aufgekauft) alles zusammen und viel mehr. Hersteller D, der sich neu auf dem Entenmunitionsmarkt etablieren will, muss daher zu Tricks greifen.

So kann er via Werbung Pseudo-Produkteinzigartigkeiten schaffen ("Die einzige Entenmunition für den ganzen Kerl", "Die einzige Entenmunition für die ganze Familie") oder mit Testimonials arbeiten ("Die einzige Entenmunition, die schon in Duck Hunt zum Einsatz kam"). Oder er denkt sich wirklich mal etwas Neues aus, irgendein verrücktes Zusatzgimmick, das den Markt vollkommen umkrempelt, oder zumindest ausreicht, um ein Thema in Gadget-Blogs und auf den Vermischtes-Seiten der Zeitungen zu werden. Am besten noch mit einem vorgeschobenen gesellschaftlichem Anspruch, z.B. Umweltbewusstsein.

So dachte man sich das bei Hersteller D aka Season Shot und erfand deshalb eine Patrone, die sich im Entenkörper komplett in Gewürzmischung auflöst, so den Vogel schon vor dem Braten verleckert und zudem umweltfreundlich durch den Rückgang des Patronenhülsenmüllaufkommens ist. Ein Wunder, auf das die Welt gewartet hat. Manch einer mag die Glaubwürdigkeit der ganzen Sache in Frage stellen, wieder andere machen sich vielleicht Sorgen, dass bei den FAQ von Season Shot die Standardantwort "Please check back soon to hear more about our progress." lautet. Aber das ist natürlich Geschwätz, schon bald wird es selbstverständlich sein, beim Entenhändler zwischen den Geschmacksrichtungen Cajun, Lemon Pepper, Garlic, Teriyaki und Honey Mustard zu wählen. Hersteller E wird sich bei seinem Markteintritt ganz schön strecken müssen, seine Entenmunition muss sich dann schon automatisch in Füllung verwandeln, die Ente braten und vierteilen. Notfalls geht aber auch was mit GPS.

(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)


07.11.2006 | 14:04 | Anderswo | Fakten und Figuren

Nicht bestellt, aber abgeholt


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
"Das Bedürfnis, etwas zu schaffen, neue Ideen hervorzubringen und diese Ideen auch durchzusetzen sind erste Merkmale der Intelligenz" sagt der russische Bildhauer Zurab Zereteli. Nicht spricht er von der Art, wie diese Ideen durchzusetzen seien. Er selbst hat da eine intelligente Lösung gefunden. Nachdem er Moskau und eine Reihe weiterer russischer Städte mit seinen Skulpturen gegen den heftigen Protest zahlreicher intellektueller Kunstbanausen praktisch zwangsbeglückt und zugemöbelt hat, wollte er einen 126 Meter hohen Columbus zunächst den USA schenken. Als die ihn ablehnten, wanderte er über die ebenfalls desinteressierten Staaten Venezuela, Brasilien und Dominikanische Republik schliesslich wieder zurück in seine Heimat, wo er mit einem anderen Kopf versehen nun am Ufer der Moskwa als Peter der Grosse steht.

Auch die Stadt St Petersburg hat kein Zeretelidenkmal bestellt, aber jetzt eines bekommen, mit den einfachen aber zwingenden Worten Zeretelis: "Ich fahre zurück nach Moskau, und das Denkmal bleibt hier" verabschiedete sich der Meister. Mehrfach bekam das Denkmal einen neuen Standort, bis es seinen endgültigen fand: Auf dem Platz vor dem Hotel "Pribaltiskaja", einem monumentalen Plattenbau. Wo hingegen der Putin im Kimono hin soll, an dem er gerade arbeitet, ist noch nicht ganz raus. Vielleicht schenkt er ihn ja der Stadt Hannover.

Tex Rubinowitz | Dauerhafter Link | Kommentare (3)


06.11.2006 | 19:10 | Vermutungen über die Welt

Plattenkritik

Seit vierzig Jahren etwa glauben grosse Teile der Menschheit an die Plattentektonik: Kontinente driften schön langsam und sinnlos über die Erdoberfläche, angetrieben von dunklen Mächten ganz weit unten. Geblendet von der Schönheit der Kontinentaldrift und gründlich indoktriniert von den Hohen Priestern der Geologie, ignorierten wir dabei jahrzehntelang eine Reihe von aufrechten Untergrundkämpfern, deren Theorien noch besser klingen als stupides Herumwandern von Erdteilen. Aber seit der Erfindung des Internets vor einigen Tagen schlagen sie zurück. Hier die drei besten Alternativen zur Plattentektonik:

1. Beinahe tot waren schon die Hohlwelttheorien – die Erde sei hohl und entweder von innen oder von aussen bewohnt. Wenig überraschend spielt Hitler in beiden Varianten eine Rolle: Entweder ist er 1945 aus dem Führerbunker ins Innere der Erde geflohen. Oder aber er richtete Fernrohre hoch in den Himmel, um die britische Flotte drüben auf der anderen Seite zu beobachten. In letzter Minute gerettet aus dem Sumpf der Science-Fiction/Fantasy wurden die Hohlwelten vom Internet, Paypal sowie Kevin und Matthew Taylor, deren Sonne sich IN der Erde befindet.

2. Nur kurz erwähnt seien die Kreationisten, die natürlich auch hier ihre eigene Superhypothese an den Start bringen müssen, die angenehmerweise viel einfacher ist als der ganze Wissenschaftsquatsch. In diesem Fall werden die Kontinente einfach durch einen "Schock" in Bewegung gesetzt, der widerum durch einen gewaltigen Meteoreinschlag verursacht wird, und zwar knapp neben Madagaskar. Madagaskar, musste das sein? Ohne Madagaskar erscheint das Szenario sofort glaubhaft.

3. Ästhetisch beiden vorgenannten Ansätzen überlegen ist jedoch die sich aufblasende Erde, eine bestechend elegante Theorie, die bewegliche Kontinente mit Leichtigkeit erklärt. Seit den 30er Jahren auf der Welt, erlebt sie im Halbwissensdschungel des Internet eine überraschende Renaissance. Klares Highlight des mächtigen Gedankengebäudes ist die Fähigkeit, die Grösse der Dinosaurier zu erklären – Erde wird grösser, Schwerkraft wird geringer, Tiere wachsen dadurch höher. Zwar verzichten die Erdaufblaser auf Hitler und Madagaskar, aber auch sie begehen einen klaren Anfängerfehler: "The evidence is obvious, unmistakable and irrefutable!" Das ist mittelalterliche Rhetorik, Freunde, so darf man mit wikipediagestählten Kreaturen heute nicht mehr umgehen. Wenn sich das nicht bessert, wird die Plattentektonik auch dieses Jahr wieder Deutscher Meister.


06.11.2006 | 12:49 | Anderswo | Essen und Essenzielles | Vermutungen über die Welt

Böse Menschen haben keine Liter


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Weitgehend unbemerkt von der uninteressierten Öffentlichkeit fand vor drei Wochen der Weltnormentag statt, Mailer hätte sich gefreut, aber er war weder richtig geschrieben noch überhaupt gemeint. "Normen zum Anfassen", das Motto des damit verbundenen Tages der offenen Tür im Deutschen Institut für Normung, klingt wahnsinnig verlockend, um so mehr, wenn man weiss, dass der wirtschaftliche Erfolg Deutschlands im 20. Jahrhundert wesentlich von Normierungen abhing. Eine alte Anwaltsregel sagt, "Wenn Du einen Fall nicht lösen kannst, verkompliziere ihn", und genau nach diesem Motto wirkte die Normenflut über Jahrzehnte auch als Schutz vor Industriespionage, weil praktisch keinem ausländischen Ingenieur klarzumachen war, wofür es eine DIN 25124 für Schwenkvorrichtungen an Mannlochverschlüssen, Teil 1 bis Teil 3 gibt und was sie genau bedeutet (verkürzt dargestellter Zusammenhang).

Das portugiesische Bier Sagres hat eine vollkommen unbrauchbare Website, die offenbar der Regel folgt, dass jeder Klick doppelt so schmerzhafte Effekte mit sich bringen muss wie der vorhergehende. Dabei schmeckt es eigentlich nicht schlecht, wie fast jedes Bier, wenn es nur ordentlich auf geschmackslähmende Temperaturen heruntergekühlt ist. Was die Biermarke aber ganz besonders auszeichnet, ist ihr, sagen wir, flexibles Normenverständnis. Auf dem Frontetikett zu behaupten, es wären 33 Zentiliter in der Flasche, hinten aber draufzuschreiben, dass nur 250 Milliliter drin sind, das zeugt von einem fortschrittlichen, zukunftsgewandten Umgang mit dem starren Korsett Normierung. Letztlich sind Normen, so erfolgreich sie während der Durchindustrialisierung gewesen sein mögen, in Zeiten des Rapid Prototyping und der Unikatisierung der Warenwelt nur noch ein kümmerlicher Ausdruck des Konsummaoismus.


06.11.2006 | 00:27 | Anderswo | Fakten und Figuren

Borat, Bruno, Bewarzer


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Nach dem riesigen Erfolg des Films "Borat", und nachdem nun langsam durchsickert, dass der angeblich kasachische Journalist Borat Sagdiyev in Wirklichkeit ein englischer Komiker namens Sacha Baron Cohen ist, beschäftigen sich die Medien derzeit verstärkt mit den anderen Aliasen Cohens. Noch nicht abzusehen ist, mit welchem seiner Kunstfiguren er als nächstes an den enormen Erfolg von Borat anzuschliessen gedenkt. Ist es der österreichische OJRF-Modejournalist Bruno ("How far up the poopenschaft can it go before it's dangerous?") oder doch eher, was wahrscheinlicher ist, mit Eckhard Bewarzer, dem deutschen Reporter, der einmal pro Woche auf SPAM, dem Investigationsportal von Spiegel Online, aus den Krisenregionen der Welt berichtet.

Für Bewarzer spricht, dass Deutschland einfach ein attraktiver und grosser Markt ist, wenn deutsche Belange thematisiert werden (Stichwort "Deutschland, ein Sommermärchen"). Für Bruno, dass er aus einem nicht unähnlichen Land wie Kasachstan kommt, mit einer Bevölkerung mit bizarren Regeln, Gebräuchen und skrupellosen Klopapierdieben.


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