17.12.2005 | 11:47 | Alles wird besser
 Früh aufstehen ist schwer (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Seit mehreren Stunden schon warten wir gespannt auf den legitimen Nachfolger dieser Bloggeschichte, die sich ja wohl mittlerweile eindeutig in eine Sackgasse manövriert hat. Die Erlösung kommt völlig unerwartet vom Chemie-Konzern Bayer, der in Zusammenarbeit mit Autorin Beatrice Poschenrieder ein ganz heisses Ding losgetreten hat, die Online-Novela "Rettet die Liebe". Kurz zur Systematik: Während auf den privaten Homepages der 90er vorwiegend Uninteressantes inkohärent und unschön aufbereitet wurde, bieten Blogs durchweg Inkohärentes, aber wenigstens interessant und schön dargestellt. Die Online-Novela, wie sie von Bayer vorgestellt wird, widmet sich in extrem peinlicher Form dem Thema Impotenz, und bietet damit Unschönes in durchweg kohärenter und uninteressanter Form. Das ist ein phantastischer Schachzug, der Kreis schliesst sich und man wird nichts anderes tun können, als einfach das Konzept zu kopieren. Aber es wird schwer, denn was soll man jetzt noch als schlagkräftiges Grundthema wählen? Vielleicht Folteropfer durch den Kakao ziehen? Analphantasien öffentlich ausbreiten? Betroffenheit heucheln, weil elektrische Geräte immer häufiger den Geist aufgeben? Man ist etwas hilflos. Ergänzend bietet Bayer reizvolle Zusatzfeatures, zum Beispiel downloadfähige Jerry-Hall-Poster und das geheimnisvolle "Vitalsexual-Webcoaching" – auch dies wird sehr schwer zu übertreffen sein. Vorerst bleibt keine Wahl, man muss so tun, als ginge einen das alles nichts an. Zumindest sollte man noch darauf hinweisen, dass sich die etwas zu bedrückende "Musik" bei "Rettet die Liebe" einfach rechts oben abschalten lässt. Dieses Thema wurde uns von Riesenmaschinen-Fan Julia empfohlen, man weiss nicht warum, sollte aber dankbar sein.
17.12.2005 | 03:31 | Was fehlt | Sachen anziehen
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Als 1991 das Puma Disc System eingeführt wurde, war klar, dass es eine gute Idee war, die schon ziemlich alte Schnürsenkeltechnik durch etwas anderes abzulösen. Dass das Puma Disc System dieses Andere nicht sein würde, war aber mindestens ebenso klar. Fast fünfzehn Jahre nach diesem kurzen Moment der Hoffnung hat sich an der Schuhverschliessungsfront nichts Wesentliches getan – bis auf Ian's Shoelace Site, die den beklagenswerten Zustand immerhin dokumentiert und diverse Hacks und Patches für gebräuchliche Schnürsenkelprobleme bietet, und die abgebildeten Speed Laces zum Nachrüsten herkömmlicher Schuhe (gesehen bei Kevin Kelly). Beim Betrachten der Speed Laces stellt sich die Hoffnung, aber auch die Enttäuschung von damals wieder ein: Wer will schon klobige graue Umlenkrollen auf seine Schuhe montieren? Oder noch alberneren Kram? Über die Kulturtechniken der Oberschicht im 19. Jahrhundert wird vermutet, sie seien vor allem deshalb von so überschiessender Komplexität gewesen, damit die Mittelschichten nicht so mir nichts, dir nichts nach oben gelangen konnten. Vielleicht halten sich die unpraktischen Schnürsenkel aus ähnlichen Gründen so hartnäckig, und vielleicht gibt sich deshalb niemand Mühe bei der Entwicklung von Alternativen: weil wir den daumenlosen Tieren hin und wieder zeigen müssen, dass Mutter Evolution uns lieber hat als sie. Nicht von ungefähr sind Schuhe ja unten angebracht, wo sie auch von kleinen und kleinsten Tieren sehr gut gesehen werden können. Tragen wir unsere Schnürsenkel also so lange mit Stolz, bis jemand hingeht und etwas noch Komplizierteres und Unpraktischeres erfindet.
16.12.2005 | 15:55 | Essen und Essenzielles | Papierrascheln
 0,75 l ausgezeichneter Bordeaux, im Eichenfass ausgebaut. (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.) Zugegeben, kurz stutzen machte uns dieses Angebot aus dem Leser-Shop der Berliner Zeitung schon: Der "Château Migraine – Dernier Cru" in der luxuriösen Holzbox mit Schiebedeckel für 14 Euros 95. Die näheren Umstände – dass der Wein der "Domaine Scharlatan (appellation souterraine pas controlée)" entstammt, dazu das Prädikat "Grand vin misèrable" trägt – entbergen das Wesen dieser "originellen Geschenkidee" dann doch überdeutlich, sodass es des Zusatzes "Cleverer Etikettenschwindel!" kaum noch bedurft hätte.
Der flaue Scherz gibt uns Gelegenheit, auf eine grundsätzliche Debatte einzugehen, die nicht nur die Zeitungsdiskussionen erhitzt, sondern auch zu einem Riss innerhalb der Riesenmaschine-Redaktion geführt hat: Der Wein-Krieg zwischen der EU und den USA. Nach den EU-Regelungen ist "Wein" eine geschützte Bezeichnung für ein Produkt mit streng reglementierter Herstellungsweise, die genaueren Details regelte bisher die EG-Verordnung 1493 aus dem Jahr 1999, die gleichermassen auch für importierte Weine gilt. Im Banausenland USA hingegen ist Wein ein Industrieprodukt und bald jedes Mittel und jeder Zusatz zur Herstellung recht. So gehört es zu den dortigen Usancen, Holzspäne im Teebeutel in den Wein zu hängen, um das typische Barrique-Aroma zu erzeugen. Ebenfalls dürfen dort auch Merlot, Sauvignon und Pinot Grigio in Pulverform als Basisbestandteil sogenannter "Wine making kits" verkauft werden, mittels derer sich durch Zugabe von warmen Wasser innerhalb von drei Wochen zu Hause der nämliche Tropfen herstellen lässt. In grossindustriellen Verfahren produzieren die Amis, so man den Gerüchten glauben darf, zudem aus Wasser, Alkohol und Aromastoffen schwere Rotweine, die nie einen Rebstock gesehen haben. Nun drängen sie darauf, ihre amüsanten Innovationen auch hierzulande unter Klarnamen vertreiben zu dürfen – mit Erfolg. In drei Tagen wird – wenn nichts Gravierendes dazwischen kommt – in Brüssel das Weinhandelsabkommen zwischen den USA und der EU unterschrieben, wonach ab 1. Januar 2006 auch hierzulande so ziemlich alles unter dem Label "Wein" vertrieben werden darf, was entfernt daran erinnert.
Der frisch und selbst ernannte Verbraucherpapst Horst Seehofer hat bereits seinen erbitterten Widerstand angedroht, und weiss dabei die deutschen Blut-und-Boden-Winzer hinter sich, die ihr "Terroir" sprich: ihre Scholle bis zum letzten Wermutstropfen verteidigen wollen. Eigentlich sollte damit ausgemacht sein, welcher Position die fortschrittsoptimistische Riesenmaschine in diesem Konflikt zuneigt, und allein die Aussicht, demnächst Wein in Pulverform ausprobieren zu können, stimmt uns frohgemut. Allerdings drehen uns in der Praxis bereits die aromaüberfrachteten kalifornischen Limo-Weinen, die unter der bestehenden Regelung ins Land durften, regelmässig der Magen um. Deshalb Vorschlag zur Güte: Der Ami-Wein darf rein, und wir bleiben trotzdem einstweilen beim Dornfelder.
16.12.2005 | 11:58 | Berlin | Alles wird besser
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.) (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Man muss in der Tat zugeben, dass das obenstehende Plakat für Nelkenzigaretten nicht zum Besten gehört, was die Werbebranche letzthin auf den Aufmerksamkeitsmarkt geschmissen hat. Die Reaktion, im Detailfoto unten zu erkennen, ist dementsprechend. In einer Art Plakatjudo wendet sich die negative Qualitätsenergie des Motivs in positive für die Agentur Zum Goldenen Hirschen, die mit dem eindeutig geformten Bewertungsaufkleber "Das kannst Du doch besser" ehrgeizige Praktikanten anlocken will. Ob das Modell funktioniert, wissen wir nicht, die Grundidee, dass das Publikum mit Aufklebern öffentlich Plakate bewertet, finden wir jedoch gut und werden sie eventuell ausbauen. Vielleicht in Richtung eines Belästigungsfaktors (Belfak) für öffentliche Kommunikate, mit einer Skala, die von Null bis Jamba reicht, zum Aufkleben (Plakate), zum Taggen (Banner) oder zum einfach Dazudenken (Werbespots).
15.12.2005 | 18:40 | Supertiere | Fakten und Figuren
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Tabuthema Zahntag: Dass der Haifisch ja Zähne hat, wusste schon Bertolt Brecht. Bei der Feststellung, dass er die im Gesicht trüge, irrte Brecht allerdings, also zumindest ein bisschen. Denn Haie haben zwar im Gesicht ein beeindruckendes Gebiss mit mehreren Zahnreihen, die regelmässig nachwachsen (siehe oberes Bild). Aber, und das macht die Haie endgültig zu den zahnreichsten Tieren der Welt, auch ihre gesamten Körper sind mit einer Art Gebiss bedeckt. Die Schuppen der Haie sind nämlich Placoidschuppen, die homolog zu Zähnen aufgebaut sind (siehe unteres Bild). In manchen Teilen der Südsee verwendet man deshalb auch Haihaut anstelle von Schmirgelpapier.
 1 = Schmelz, 2 = Zahnbein 3 = Pulpahöhle, 4 = Zahnzement (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Indes sind, um wieder mit Brecht zu sprechen, des Haifischs Flossen rot, wenn dieser Blut vergiesst. Dass es sich dabei zumeist um sein eigenes Blut handelt, ist ein Umstand, der bei der allgemeinen Hysterie um aussterbende Wale und in Thunfischnetzen verhedderte Delfine gern unbeachtet bleibt. Angeblich 100 Millionen Haie werden laut der Initiative HaiLife jedes Jahr abgeschlachtet (z.B. für die beliebte Haifischflossensuppe). Und würde die besagte Initiative nicht zusätzlich noch das Wortspiel Hai Society bemühen, wäre ihr auch unsere Unterstützung gewiss. So müssen sie es halt in Hawaii versuchen, wo Haie mitunter als Götter verehrt werden.
Dieser Beitrag ist ein Update zu: Zahntag und Pastenwahn
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"Martyrs", Pascal Laugier (2008)
Plus: 3, 12, 24, 42, 45, 55, 72, 80, 89, 97, 102, 113, 117 Minus: 3, 134 Gesamt: 11 Punkte
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