13.11.2005 | 13:56 | Anderswo | Supertiere
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Wer in Mittelchile, dem so genannten Kleinen Süden, unterwegs ist, wird sich wundern, warum die Hitchhiker dort flach auf der Strasse liegen, und nur ab und zu, wenn sich mal ein Auto nähert, matt den Daumen heben. Sind sie zu faul oder nur so unendlich müde? Den Grund erfährt man dann nicht sofort, man muss ihn sich ein wenig erarbeiten. Steigt man aus dem Bus in die wunderschöne Landschaft hinein, ist man plötzlich von einer Wolke tief brummender ca vier cm fetter Pferdebremsen umgeben, Tabano genannt, hier für unsere japanischen Freunde als Faltbremse. Man rennt in ein schützendes Haus, denn in das trauen sie sich offenbar unangemeldet nicht. Es gibt allerlei Tipps, wie man sie sich vom Leib hält, einige sagen, nichts Buntes anziehen, andere wiederum nichts Helles, dritte warnen vor Dunklem. Auch reagieren sie wie die Wespen nicht auf Geruch, sondern nur auf Bewegung. Ganz falsch ist also dem ersten Impuls nachgeben und rennen und wild fuchteln. Einfach wie in Zeitlupe gehen, sich auch mal für ein Viertelstündchen an einen Baum lehnen, oder eben wie die Autostopper auf die Strasse legen, beste Fortbewegungsmethode: sich rollend auf dem Boden bewegen. Auch sind sie gar nicht so schlimm, wie sie tun. Weil ihnen das blutgerinnende Sekret fehlt, mit dem z.B. unsere Mücken ihren Stich nach der Nahrungsaufnahme ordnungsgemäss verschliessen, der dann den Juckreiz auslöst, lassen ihre chilenischen Kollegen die Wunde einfach offen, aus der dann ein dünnes Blutrinnsal rieselt. Peinigender Juckreiz entfällt also. Und das beste an der ganzen Geschichte ist, dass sie nur exakt einen Monat aktiv sind, sie tauchen wie von Zauberhand jedes Jahr am 19.12. auf, und verschwinden wie sie gekommen sind am 19.1., keine Ahnung, was sie den Rest des Jahres so treiben, bzw. wie sie sich ernähren. Vielleicht stechen sie ja Bäume im Wald, und saugen das Harz der Zimtbäume. Jedenfalls zündet der Chilene dann die Knallbremse.
Dieser Beitrag ist ein Update zu: Politik ohne Ziel
13.11.2005 | 11:20 | Anderswo | Fakten und Figuren | Vermutungen über die Welt
Das seltsame stummelförmige Land Südkorea macht weiter von sich reden: Am letzten Donnerstag wurden in der Seouler U-Bahn eine Mutter nebst Kind und Kinderwagen dreissig Meter mitgeschleift, schon heute gehen die Bilder dieses irren Unfalls Nichtereignisses um die Welt. Am Ende kamen weder Mutter noch Kind zu Schaden, was nicht verwundert, handelt es sich doch, wie wir bereits an anderer Stelle bemerkten, bei den südkoreanischen U-Bahnen um die sichersten der Welt. Sie zählen gewiss auch zu den besten, was Streckennetz, Benutzerfreundlichkeit und Internetauftritt angeht. Zudem sind es die reinsten Musentempel, womit hier weniger die weltweit üblichen Auftritte von musikalisch anders begabten Gitarrespielern gemeint sind. In den brandneuen U-Bahnstationen von Gwangju beispielsweise überrascht man die Pendler mit einer Ausstellung von zum Teil sehr gelungenen Kinderzeichnungen, in den Seouler Metrolabyrinthen treten ganze Chöre auf. Selbst die Streckenpläne sind hier grafische Meisterleistungen. Besonders bemerkenswert: Diese kleine, nur von den üblichen Videokameras überwachte Bibliothek, die die Riesenmaschine in der Seouler U-Bahn-Station Jogno Sam Ga entdeckte. Zieht man diese Fakten in Betracht, stellt sich allerdings die Frage, ob es sich bei dem Mutter-Kind-Zwischenfall vom Donnerstag tatsächlich um einen Unfall handelte, oder nicht eher um eine hochkünstlerische Performance, die uns irgendetwas sagen soll. Wahrscheinlich irgendwas über Südkorea.
Dieser Beitrag ist ein Update zu: Asien Spezial: Korea & Vietnam
13.11.2005 | 11:15 | Anderswo
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Auf einer Liste der seltsamsten Länder läge Chile ganz sicher sehr weit vorn. Es ist nicht nur das längste Land der Welt, sondern auch der einzige Gegenstand im Universum, der zehnmal so lang wie breit ist. Es hat die trockenste Wüste (Atacama), den höchsten Vulkan* und besitzt zudem die Osterinseln und das Eiland, auf dem angeblich Robinson Crusoe strandete. Eigentlich schon Grund genug, um in helle Begeisterung auszubrechen, aber zudem leistet sich das Land auch noch ein verkehrtes Politiksystem. Vermutlich wurde hier 1970 zum ersten und letzten Mal ein Marxist ordnungsgemäss und demokratisch zum Präsidenten gewählt. Tyrann Pinochet andererseits, der seltsamerweise 1973 einen Putsch zur Machtergreifung brauchte, wurde man 1988 wieder los, indem man einfach eine Volksbefragung durchführte, ein genialer Trick, über den man anderswo mal nachdenken sollte. Nun ist Chile keinesfalls besonders fortschrittlich oder modern, sondern nur durcheinander: Zum einen verfügt das Land über die höchste Dichte an Internetcafes nördlich der Antarktis, zum anderen verbietet es so exotische Dinge wie Ehescheidungen (jedenfalls bis 2004). Bei den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen im Dezember 2005 scheint es nicht besser zu werden, denn im männerdominierten und streng katholischen Chile führt eine alleinstehende Frau mit unehelichen Kindern, Michelle Bachelet, alle Umfragen an. Keiner weiss, was das zu bedeuten hat.
Vermutlich ist es nur eine Reaktion auf die konsequente und offensichtliche Konfusion des Landes, wenn im Vorfeld der Wahl niemand die Bevölkerung mit politischen Inhalten konfrontiert. Das Land erstickt zwar im Verkehrschaos, weil die Strassen mit Wahlplakaten vollgestellt sind, aber sie zeigen lediglich die Gesichter der Kandidaten, dazu ihre Namen ("Lavin", "Hirsch") und vielleicht noch "Presidente", damit man nicht ganz ahnungslos im Gesichtermeer steht. Zudem findet man die Namen an Häusern, Felsen, Schneefeldern, Denkmälern usw., obwohl Graffiti in Chile selbstverständlich komplett verboten sind. Die Riesenmaschine wird die absurde Lage weiterhin beobachten und aus irgendeinem Anlass berichten. Im Bild übrigens eine oberhessische Seenlandschaft mit Vulkan Fujiyama im Süden Chiles.
* Ojos del Salado, 6930 Meter. Andere hingegen behaupten, der Kilimandscharo (5895 Meter), der Mauna Kea (Hawaii, 4205 Meter), der Chimborazo (6310 Meter) oder gar der berühmte Llullay-Yacu (Argentinien, 6920 Meter) wären noch höher.
12.11.2005 | 19:19 | Fakten und Figuren
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Wenn man einen Trend als ungefähr Einmilionster wahrnimmt, aber trotzdem wegen brandneuer eigener Begeisterung aktuell darüber schreiben will, dann googelt man den Trend ordentlich durch und sucht sich ein, zwei neue Fakten als Aufhänger für den Beitrag. Das uns Cool People schon länger bekannte, mathematische Logikspiel Sudoku bringt inzwischen die für Supertrends üblichen Markt- und Medienblüten hervor. Zum einen wird es in Grossbritannien gleich zwei neue Fernsehshows geben (auf BBC und ITV), die sich um Sudoku drehen. Zum anderen versucht eine mehr oder weniger geschäftstüchtige Firma namens Cpro! eine Sudoku-Spielekonsole zu vertreiben und zwar in einem der weltweit armseligsten Online-Shops (für "Trendartikel und Lifestyle-Produkte") überhaupt: Vier Sudoku-Konsolen, dazu eine LED-Taschenlampe ohne Batterien und als besonderes Schmankerl eine an den Fernseher anschliessbare bunte "Tanzmatte Dance Master". Das Spiel selbst ist online bei vielen verschiedenen Anbietern zu finden, etwa beim Handelsblatt oder der Zeit, wo auch eine Handy-Variante angeboten wird. Das beste (Flash-)Spielinterface ist beim japanischen Anbieter Gamedesign zu finden, dort kann man pro Zahlenfeld auch vier Möglichkeiten an den Ecken notieren, was eine enorme Erleichterung, aber natürlich keine Vereinfachung für dieses gottverdammte Suchtspiel ist. Die Angst, dass einem die Zahlenrätsel ausgehen, muss man nicht unbedingt haben. Laut einer Berechnung von Herrn Bertram Felgenhauer gibt es 6.670.903.752.021.072.936.960 verschiedene Sudokus, was wiederum nach einer Berechung von Sascha Lobo bei einer Zeit von 15 Minuten pro Spiel für 31.729,95 Jahre durchgehende Suduko-Action reicht. Pro Erdenbewohner.
12.11.2005 | 11:51 | Anderswo | Sachen kaufen
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Die grösste Mall der Welt steht im Haidian-Distrikt im Westen Pekings, etwas ausserhalb, eigentlich nur mit Auto oder Taxi zu erreichen, und harrt noch des grossen Andrangs:  (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)"Like the rest of the world, the Golden Recources Shopping Mall is still waiting for a big Chinese consumption boom", schreibt der Economist. Zugegeben, die schieren Eckdaten vermögen zu beeindrucken: Mehr als 1.000 Geschäfte auf über 500.000 Quadratmetern mit 230 Fahrstühlen...  (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Der reale Eindruck bleibt jedoch weit dahinter zurück. Das liegt zum Teil auch an der Architektur. Die Golden Resource Shopping Mall ist kein Konsumtempel, keine glitzernde Kathedrale des chinesischen Wirtschaftswunders, sondern ein langer Riegel aus zusammengemorphten Kaufhäusern.  (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Fast folgt sie dem Vorbild der Strip Mall aus der amerikanischen Provinz – nur eben auf sechs Ebenen statt auf einer. Die langen Gänge im Inneren werden von keiner zentralen Halle, keinem Atrium unterbrochen, und es fehlt der Ort, an dem die bombastische Grösse als solche erlebbar würde.  (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Zwar sind anscheinend die meisten Ladenlokale vemietet, aber die Abwesenheit von Kunden verstärkt die Monotonie. Die Marken, die hier mit eigenen Geschäften Präsenz zeigen, sind weniger internationale Luxusmarken, sondern zum Grossteil merkwürdige Bastarde aus deren Assoziationsumfeld und vermutlich Chinas Reaktion auf den wachsenden Druck der WTO hinsichtlich allzu dreister Fakes: "Frognie Zila" statt Ermenegildo Zegna, "Rich Boss" statt Boss, "Prohans" statt ... gute Frage. Auch reine Phantasiegeschöpfe sind zahlreich vertreten, und senden fingierte Signale einer langen Tradition und westlicher Abstammung aus. Erstaunlicherweise scheint der deutsche Referenzraum hier besonders beliebt zu sein, um Retortenmarken mit dem Fluidum solider Qualität auszurüsten. Letztlich aber kein Wunder, dass dieses deprimierende Schattenkabinett der verwesenden Markenaura bei den neureichen Chinesen durchfällt wie ein kalter Stein oder ein Sack Reis. (Dank an Christian Y. Schmidt für das grosse Foto)
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IN DER RIESENMASCHINE
ORIENTIERUNG
SO GEHT'S:
- Oberstübchen tapezieren
- Baby-Sprotte
- Übersprungshandlungen (bei Hürdenläufern)
- Pibloktoq
SO NICHT:
- Anstrengende Meinungen
- Bockshörner jagen (Naturschutz!)
- Spermafahne
- Teenage-Spritti
AUTOMATISCHE KULTURKRITIK
"Syriana", Stephen Gaghan (2005)
Plus: 3, 42, 68, 69 Minus: 45, 106 Gesamt: 2 Punkte
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