21.11.2005 | 19:01 | Alles wird besser
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.) Manche Entwicklungen sind einfach eine Frage der Zeit. Da gibt es einerseits aktuell den Trend zum MP3-Player im Nonsensformat, z.B. als PEZ-Spender oder als Lippenstift. Andererseits und zugleich haben Bastler das zeitlos schöne Design des Nintendo-NES-Gamepads entdeckt und bereits für den Bau einer TV-Fernbedienung und einer Maus verwendet. Am vergangenen Wochenende passierte dann in Österreich das Unvermeidliche: Die Schöpfung eines MP3-Players im Gehäuse eines NES-Gamepads, der sich selbstverständlich akkurat mit den vorhandenen Buttons bedienen lässt. Ob es den schmucken Player mal zu kaufen gibt, bleibt abzuwarten. Falls ja, so sollte das Herzstück jeder Playlist natürlich eine Auswahl der schönsten NES-Evergreens von 1983 bis heute bilden.
21.11.2005 | 17:39 | Alles wird schlechter | Fakten und Figuren | Essen und Essenzielles
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Erinnert sich noch jemand an den Marquis de la Grange? Nein, nicht den frühneuzeitlichen französischen Adelsmann (1639 – 1692), der es mit der Beobachtung, dass, wenn wir jemanden um Rat fragen, wir lediglich auf der Suche nach Begleitung sind, ins kollektive Gedächtnis der Menschheit geschafft hat. Die Rede ist von jenem Marquis de la Grange, der als verschmitzter Lebemann mit bonvivantistischen Anwandlungen Mitte der 1990er Jahre eine fiktive Hautevolee auf deutschen Bildschirmen zu foppen pflegte. Als Verschnitt aus James Bond-Parodie, Fürst Rainier und Roger Whittaker entführte er seinerzeit junge Adelsdamen per Privathubschrauber oder versetzte noble Festgesellschaften in Aufruhr mit der unvermittelten Ankündigung, er gebe sich nun die Kugel. Wogegen freilich niemand der Zuschauer je etwas einzuwenden gehabt hätte. Gemeint war jedoch der unter dem Slogan "Adel verpflichtet" brachial auf Premium getrimmte kugelförmige Unterschichtkonfekt aus Haselnusssplittern und Nutellarestbeständen namens "Rocher" aus dem Hause Ferrero. Eben jener Ferrero-Konzern im Übrigen, der auch mit seinen anderen Produktlinien regelmässig demonstriert hat, dass ihm in punkto Werbung ("Wenn der Milch-Jieper kommt...", "Als wären die Cerealien gerade erst in die Milch gefallen", "Der Snack im Handyformat") niemand das Wasser reichen kann. Irgendwann verschwand der Marquis de la Grange ohne Abschied vom Bildschirm und leider nicht aus unseren Köpfen; über seinen weiteren Verbleib ist nichts bekannt. Zwischenzeitlich fungierte der echte James Bond-Darsteller Pierce Brosnan als Werbeträger für die internationale Kampagne von Ferrero Rocher. Zwischenzeitlich sah es sogar mal so aus, als hätte Ferrero das hohe Nerv-Potenzial der eigenen Werbung erkannt und mit Beauftragung der Berliner Agentur Aimaq.Rapp.Stolle einigermassen wirksam gegengesteuert. Im neuen TV-Spot für Ferrero Rocher agiert ein gewisser "Howard" als Wiedergänger des Marquis und bespielt dasselbe pseudofeudale Yellow-Press-Fantasy-Setting. Auf einer dekadenten Sommerparty im Garten eines Stadtpalais wird nämlicher Howard zunächst vermisst, und die Frage "Wo ist Howard?" verbreitet sich wie ein Lauffeuer unter den alarmierten Partygästen. Dann taucht Howard, eine verjüngte Mischung aus Robbie Williams und Kai Pflaume, wie aus dem Nichts auf und wird stürmisch gefeiert. Offensichtlich hat er etwas arrangiert, denn auf seine Ankündigung "It's time for gold" hin regnen Rocher-Kugeln an goldenen Fallschirmen aus dem Nachthimmel. (Man muss sich mal vorstellen, wie das im Script steht: "... regnen Rocher-Kugeln an goldenen Fallschirmen aus dem Nachthimmel"!) Wir wissen nicht genau, was es mit diesem Howard auf sich hat, was er zukünftig noch aushecken und im Schilde führen wird. Wir möchten nur vorsorglich darauf hinweisen, dass die Kampagne, für die die relativ frisch gegründete Hamburger Agentur Kempertrautmann des einstigen Branchenprimus André Kemper verantwortlich zeichnet, bei uns schon jetzt ein ähnliches Gefühl verursacht, wie es seinerzeit nur dem deprimierend bescheuerten Marquis de la Grange gelang.
21.11.2005 | 11:02 | Alles wird besser | Fakten und Figuren
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Vor ziemlich genau 20 Jahren schuf der Produzent Larry Heard mit "Can you feel it" gleichsam die Discomutter aller nachfolgenden House Tracks. Dass House immer wieder auch in den Hitparaden eine fröhliche und wichtige Rolle spielt, beweist machtvoll momentan eine andere Mutter, nämlich die Mutter vom ganzen, Madonna. Wer ihren neuen Hit "Hung up" nur aus dem Radio kennt, oder mit dem sprichwörtlichen halben Ohr gehört hat, wird unter Umständen nur das sehr dominante ABBA Sample von "Gimme Gimme Gimme" dort abspeichern. Dabei ist es auf eine so geschickte Weise integriert, dass das überhaupt nie penetrant ins Gewicht fällt. Und wenn man dazu auch noch das sensationellste und stimmigste Video (Real hi/lo, WMV hi/lo) seit sehr langer Zeit gesehen hat, oder zumindest seit Jay Zs "99 Problems" mit Cameoauftritten von Rick Rubin und Vincent Gallo, ist, muss man für diesen zwingenden Song, muss man für Madonna restlos eingenommen sein. Omar Sharif als genervter Taxifahrer, die kleine Tanzszene in der Sushibar mit dem Fisch, das alles unterlegt mit dem vom von Daft Punk entwickelten so genannten Filterhouse, bei dem also einzelne Elemente verschwinden, um dann später zunächst dumpf, und dann immer präziser wieder auftauchen (Siehe Daft Punks "One more time"). Absolut massstabsetzend und killend! Und da interessiert es bis auf Salvatore Acquaviva momentan wohl eher niemanden, dass ihr sieben Jahre alter Hit "Frozen" in Belgien ab sofort nicht mehr gespielt werden darf.
21.11.2005 | 08:55 | Anderswo | Supertiere
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Nagetiere sind schon seit vielen Jahrtausenden die Schutzpatrone der Riesenmaschine. Einmal im Jahr, so der Brauch, muss, um ihre Eitelkeit zu befriedigen, über sie berichtet werden, und zwar in ekelhaft opportunistischem Tonfall, sonst wird der Fluch der Nager usw., das kennt man ja und das wollen wir nicht. Diesmal geht es einmal nicht um Biber oder Bilche, sondern um eine Art Meerschweinchen aus der Familie der Chinchillas: das Vizcacha. Auf nebenstehendem Bild, das "Gene with Vizcacha" zeigt, kann man deutlich die Vorzüge dieses Tierchens erkennen. Es hat die Ohren und die Figur eines Hasen, aber den Schwanz und die Körperhaltung eines Eichhörnchens, und dies alles noch in einer derart praktischen Grösse, dass man nicht immer Angst haben muss, es beim Kosen zu zerquetschen. Man muss klar anerkennen, dass die Idee, ein Tier von der Grösse eines Hundes herzustellen, das alle Vorzüge von Hase und Eichhörnchen vereint, einer der herausragendsten und einmaligsten, ja, unbeschreiblich grossartigsten (man muss hier etwas übertreiben, wir bitten um Verzeihung) Einfälle in der Geschichte der Einfälle war. Wir können uns keine Droge vorstellen, naja, ehrlich gesagt fast keine, die uns zu einer solch phantastischen Erfindung, so, das muss jetzt aber reichen, Freunde.
Das Vizcacha, eigentlich gesellig, lebt zurückgezogen in den Wüsten Südamerikas, und zwar notgedrungen in Gesellschaft von Schlangen, Eidechsen und Eulen, nur um nicht an Vereinsamung zu sterben. Deshalb, und gerade weil es ein Nagetier ist, werden wir heute, Montag, den heiligen Berg der Vizcachas aufsuchen, und zwar um ihnen eine Freude zu bereiten. Ausserdem verlangen sie es von uns.
21.11.2005 | 02:07 | Anderswo | Alles wird schlechter
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Der einzige Trend, der in den letzten Jahrzehnten in Deutschland erfunden wurde, ist die Ausstellung von Leichen. Vermutlich hat es etwas zu bedeuten, dass dieser Renner erst vor etwa einem Jahr in Amerika Fuss gefasst hat, vielleicht funktioniert Trendwanderung nur mit dem Golfstrom oder es hängt mit der Hühnergrippe und den Importschwierigkeiten für Naturmaterialien zusammen, aber damit muss man sich nicht befassen. Viel aufschlussreicher ist es, die Expansion der Leichenindustrie mitzuverfolgen. Ideen, zumal wenn sie Geld bringen, rufen immer Epigonen hervor; Mozart, Beatles, Nirvana, alle wurden sie noch zu Lebzeiten kopiert, und so ist es nicht verwunderlich, dass jetzt gleich mehrere Leichenshows auf den amerikanischen Markt drängen, so dass man als Kunde wirklich die Wahl hat. Während das (mutmassliche) Original, Body Worlds 2 zur Zeit in Toronto herumsteht, wird heute, wie wir bei Medgadget erfahren, in New York Bodies, the Exhibition eröffnet. In San Francisco wurde offenbar vor wenigen Wochen bereits wieder geschlossen, und zwar "The Universe Within". Zeitgleich warten in Ostasien, dem Mekka der Leichenverarbeitung, Zombie-Armeen mit so kreativen Namen wie "Body Exploration", "Bodies Revealed" oder "Mysteries of the Human Body" auf ihre Marscherlaubnis für amerikanisches Territorium.
Körperwelten-Erfinder von Hagens, selbst nicht gerade wie ein Lebender aussehend, behauptet natürlich, dass nur er den wahren Beatles-Sound, nein, dass nur seine Gebeine richtige Tote sind. Aber wie obiges Bild zeigt, ist das durchaus Geschmackssache; manche mögen blassgelb lieber als dunkelrosa und nicht jeder kommt mit dreiteiligem Geschlechtsteil klar. Wie immer gibt es Neid und Missgunst zwischen Erfinder und Nutzniessern, so beschuldigen sich von Hagens und sein ehemaliger Mitstreiter Sui Hongjin, der mittlerweile seine eigene Nekrophilieshow leitet, statt der glücklichen Leichen von freilaufenden Hühnern Exponate aus Massentierhaltung, ähm, chinesische Sträflinge also zu verwenden. Man muss dies wohl als ganz normale Abnutzungserscheinung der Trenderscheinung Leichenschau bewerten. Wie immer wird es eine Weile dauern, bis ein neuer Geniestreich die Branche erobert, zum Beispiel Tote irgendwie an speziellen Orten vergraben oder so.
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IN DER RIESENMASCHINE
ORIENTIERUNG
SO GEHT'S:
- Erdmännchen
- Interkontinentalfrisbees
- gelindes Erwärmen
- Politessenladen
SO NICHT:
- neuer Schwimmstil: Sütterlin
- als Boho getarnte Bauernblusen
- Wucher an den Zapfsäulen
- Pullover (erst wieder 2011)
AUTOMATISCHE KULTURKRITIK
"Welcome to the Jungle", Jonathan Hensleigh (2006)
Plus: 3, 17, 52, 56, 69 Minus: Gesamt: 5 Punkte
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