28.11.2005 | 03:16 | Anderswo | Nachtleuchtendes | Alles wird schlechter
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.) (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.) (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Ok – sie ist neu, und bei der feierlichen Eröffnung ist ein Satz gefallen, der so gut war, dass er auch aus der Riesenmaschine hätte stammen könnte: Innovation ist die Poesie unserer Zeit. Also haben wir sie uns angeschaut, die neue Weihnachtsbeleuchtung der Zürcher Bahnhofstrasse. "The World's Largest Timepiece" (wie sie von Gramazio & Kohler, den verantwortlichen Architekten, etwas grossspurig genannt wird) ersetzt die 1971 von Willi Walter und Charlotte Schmid installierte Weihnachtsbeleuchtung. Diese bestand aus einer zweieinhalb Meter hohen, aus gut 20.000 einfachen Glühbirnen gebildeten Lichtschicht, die ungefähr auf Traufhöhe die rund 1,4 km lange Bahnhofstrasse nachzeichnete. In ihre Simplizität, Abstraktion und Sinnlichkeit war sie genauso wirkungsvoll wie einleuchtend und sie schaffte den schwierigen Spagat zwischen Bedürfnisbefriedigung der Benutzer (der Weihnachtsdeppen aus aller Welt der Gäste und Kunden) und dem Anspruch der Fachwelt (Lichtplaner, Architekten) – beide Welten waren gut 30 Mal, jedes Jahr aufs Neue, begeistert. Und tatsächlich war es etwas vom Besten, wenn nicht sogar das einzig Gute, was Weihnachten zu bieten hatte, wenn man in der Adventszeit, nachts um elf, wenn die Geschenke kaufenden Weihnachtsd Kunden längst in ihre Vorstädte zurückgekehrt waren, unter dem monumentalen Lichtbaldachin zu gehen oder mit dem Velo betrunken nach Hause zu fahren. Und jetzt also die Neue: 275 Stangen von 7 Meter Länge hängen in regelmässigen Abständen über der Strassenmitte und leuchten neonartig. Perspektivisch bietet das einigen Reiz, besondern dort, wo die Strasse leicht geknickt ist und es vermag zuweilen an Arbeiten Walter de Marias zu erinnern. In der dieser Arbeit eigenen Kühle und Klarheit könnte man sogar etwas typisch Zürcherisches entdecken und man ist im ersten Moment angenehm überrascht von so wenig Sentimentalität. So weit, so gut. Unschwer fällt aber auf, dass hier die Kunst ihr Publikum nicht finden wird. "Wenn das eine Weihnachtsbeleuchtung sein soll, bin ich ein Emmentaler Misthaufen" so der O-Ton eines Besuchers bzw. vom Fachmann vornehmer ausgedrückt: "Zwischen abstrahierender Kühle und der Erwartung festlicher Verzauberung liegen gerade in vorweihnachtlicher Gestimmtheit natürlich emotionale Hürden, die beträchtlich sind", so Guido Magnaguagno, Direktor des Jean-Tinguely-Museum in Basel und Jurymitglied des vorhergegangen Architektur-Wettbewerbs. Die Installation verweigert sich also ihrem eigentlichen Zweck, dem Erzeugen einer weihnachtlich-festlichen Stimmung. Den urbanen, kunstsinnigen Weihnachtsverächter mag dies freuen, doch es stellt sich auch ihm die Frage, welchen Sinn die ganze Aktion dann haben mag. Auch Gramazio und Kohler muss dies aufgefallen sein, also haben sie ihre Installation noch etwas aufgepimpt und dazu den 'Xmas Generator' erfunden – eine Software, die unter Berücksichtigung der Besucherfrequenz der Bahnhofstrasse und 'dem Näherrücken der Festtage' (O-Ton Gramazio & Kohler) die LEDs in den Leuchtstäben steuert und zum Beispiel eine wellenförmige Bewegung in die Leuchtstäbe zaubert. Ein Gimmick, das die Weihnachtsbeleuchtung nicht etwa besser macht, sondern sie verdächtig in die Nähe der in den angrenzenden Geschäften feilgebotenen Spielzeuge rückt – und wahrscheinlich in wenigen Jahren bereits so altbacken wirken wird, dass es fast schon rührend sein dürfte. (Weihnachtlicher wird die ganze Chose dadurch natürlich auch nicht – deutlicher könnte eine gestalterische Bankrotterklärung kaum formuliert werden)
Bleibt die Frage, warum die alte Beleuchtung überhaupt weichen musste. Es werden Sätze vorgeschoben wie: "Als die Vereinigung Zürcher Bahnhofstrasse 1971 den Lichterbaldachin über der Bahnhofstrasse installieren liess, war sie ihrer Zeit weit voraus. Vieles hat sich seither geändert", auch das Argument der Stromersparnis wird ins Feld geführt. Tatsächlich dürfte der Grund aber in der Zurückhaltung liegen, die die alte Installation den angrenzenden Kaufhäusern aufzwang. Neben ihr konnten bunte Nikoläuse, blinkende Sterne und opulent geschmückte Tannenbäume einfach einpacken – unbeabsichtigt vielleicht der wichtigste Beitrag zur Einzigartigkeit der Zürcher Bahnhofstrasse in der Weihnachtszeit. Da sich die neue Beleuchtung auf die Mittelachse der Strasse beschränkt und sich durch die kühle Lichtfarbe vom üblichen Weihnachtstand abhebt, kann jetzt jedes Haus – wie in anderen Städten auch – ein paar Wochen im Jahr seinen Nachbarn an nuttigenm Gehabe zu übertreffen versuchen: The World's not so largest Strassenstrich of Xmas Bitches.
27.11.2005 | 19:03 | Alles wird besser | Sachen kaufen
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Der Name der Riesenmaschine, wie wir sie heute kennen, stammt aus dem altehrwürdigen Luke & Trooke Magazin und war eine Rubrik über das, was man heute auch vermuten würde. Daher verspüren wir die bereits lange Jahre gärende Verpflichtung, eine Pressemitteilung der Trimedia Communications Deutschland endlich der Leserschaft zugänglich zu machen. Sie ist im smart-unaufdringlichen, sympathischen Jugendslang gehalten und erreichte die Redaktion quasi zeitgleich mit dem Zusammenbruch des Luke & Trooke-Imperiums: Ungeheuer abfahren mit Polaroid i-zone "Vielleicht wäre es manchmal besser, den Mund zu halten, Alter!" Sie erwischt jeden jederzeit jederorts – i-zone von Polaroid, die kleinste Sofortbildkamera der Welt. Endlich ist es soweit, ab September [1999] gibt es die neue i-zone von Polaroid auch in Deutschland. In Japan schon Kult, in London als Insider-Tip gehandelt, will die kleinste Sofortbildkamera der Welt auch die deutsche Generation Y erobern. Wir geben ihr High Five, sie trifft den Geschmack sowohl im Design als auch im Preis und kommt einfach gut rüber. Noch hat die i-zone trotz des kleinen "i" am Anfang des Namens nicht die Welt erobert. Aber vielleicht wird das ja noch. Mit der Veröffentlichung dieser Pressemitteilung wollen wir uns auch reinwaschen vom Vorwurf, die Riesenmaschine bzw. Luke & Trooke trüge durch Zurückhaltung von Informationen Mitschuld an der Pleite von Polaroid.
27.11.2005 | 11:10 | Anderswo | Was fehlt
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Es ist mittlerweile eine Zeit erreicht, da dieses ewige Bildersammeln im Netz hochgradig redundant wird. Ist nicht schon alles irgendwann mal fotografiert? Hochgeladen? Bei Flickr gelandet? Man könnte soviel Mühe und Speicherplatz sparen, wenn es endlich eine Kamera gäbe, die GPS kann und ständig in Kontakt mit den relevanten Online-Bildersammelplätzen steht. Dann leuchtet einfach ein rotes Lämpchen, wenn man sich das Bild sparen kann, das gerade im Sucher angezeigt wird, oder entsprechend ein grünes, wenn es das Bild noch nicht gibt. Oder es gibt so eine Art Flickr-Sidebar im Kamera-Display, wo die vorhandenen Aufnahmen angezeigt werden. Man muss nicht zum dreimillionsten Mal den Niagarafall ablichten und kann sich darauf konzentrieren, einen Bus zu erwischen, was an diesen Wasserfällen gar nicht so einfach ist.
Andererseits kann man sich, weil ja ohnehin schon alles fotografiert ist, die Sache mit der Kamera auch gleich schenken. Es gibt ja Menschen unter uns, ich möchte da keine Namen nennen, die fahren ganz ohne Kamera in den Urlaub, und müssen den Daheimgebliebenen dann umständlich mit Worten erklären, wie es war. Bisher jedenfalls, aber jetzt googelt man einfach, stellt ein paar Links zusammen und jeder zu Hause weiss, wo man sich herumtreibt. Zum Beweis, dass es funktioniert, obenstehend ein Beispiel aus aktuellen Anlass: "Das bin ich auf dem Marktplatz von Hornopiren in Nordpatagonien, am vorläufigen Ende der Carretera Austral, kurz vorm Nationalpark Pumalin, also so ziemlich am Arsch der Welt. Im Hintergrund links das einzige Internet des Dorfes. (Die Wolken und ein paar Details am Kopf habe ich wegretuschiert. Meine Haarfarbe sieht nur wegen der Abendsonne so dunkel aus. Den oberen Teil des Vulkans konnte ich nicht sehen, habe daher den Gipfel des Ätna draufkopiert.)"
26.11.2005 | 18:19 | Berlin | Fakten und Figuren
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Das Web 2.0 – unendliche Weiten, grasende User, leider die meisten noch vom Typ User 0.7, aber man ahnt, alles könnte schön werden, dereinst. Doch letzlich besteht das Web 2.0 wie auch schon das Web 1.0 aus den gleichen visuellen Bausteinen, nämlich den Pixeln, diesen Atomen der virtuellen Welt. So recht konnte das das Web 2.0 nicht auf sich sitzen lassen. Und weil der Pixel 1.0 ebenso flexibel einsetzbar wie für seinen Zweck perfekt war, entwickelte sich mit dem Pixel 2.0 ein absolut baugleiches Produkt mit einer Menge neuer Marketingpsychologie drumherum (im Bild leicht links untermittig ein Original Pixel 2.0!).
Mit der hinlänglich bekannten Million Dollar Homepage fing die Pixelmanie zwar keineswegs an, erreichte jedoch einen (wirtschaftlich erfolgreichen) Höhepunkt in der Idee, einen Pixel Werbefläche für einen Dollar zu verkaufen. Die deutschen Nachahmer der erbärmlichen Eine Million Euro Homepage versuchten zunächst, das Konzept identisch zu kopieren. Nun wird die Werbefläche verschenkt, was offenbar über eine Pageranksteigerung refinanziert werden soll. Besonders putzig ist die Warnung vor Trittbrettfahrern, herausgehoben "ehemalige Geschäftspartner", die "geringe Online Marketing Erfahrung" hätten. Gemeint ist vermutlich die vergleichbar erbärmliche Kreditvermittlungsseite Eine Million Euro Page, die ihre Seriösität instantan erkennbar durch Textlinks illustriert: "200€ – 4500€ pro Monat durch das Bearbeiten von Umfragen verdienen", "500€ pro Monat OHNE grossen Aufwand verdienen", "20€ – 120€ pro Monat durch E-Mail`s verdienen", "Geld verdienen durch Smiley`S & Cursor" – wollten wir nicht alle schon so Geld verdienen?
Doch es braucht mehr Anhaltspunkte für den Pixel 2.0 als nur ein paar lauwindige Geschäftemacher ohne tiefergehende Rechtschreibkenntnisse. Und bitte: Die Stadtverwaltung in Berlin hat sich, vermutlich inspiriert durch Google Maps, von irgendeiner Agentur ein Pixelkonzept aufschwatzen lassen. Dabei sollen sich die Bürger jeweils den Pixel auf einem Satellitenfoto von Berlin reservieren, auf dem sie wohnen. Dann kann man draufklicken und mit ihnen Kontakt aufnehmen. Wahrscheinlich aus Scham hat Friedrichshain-Kreuzberg den Link zwar noch in der Navigation, aber deaktiviert. Auf der Seite von Berlin-Mitte hingegegen ist das konzeptionelle Projektvorstadium zu besichtigen. Oder die Projektruine. Wer kann das schon sagen.
26.11.2005 | 12:17 | Sachen kaufen
 (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.) (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.) (Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)Es genügt offenbar nicht, dass hier Produkte verherrlicht werden, nein, der anspruchsvolle Leser fordert ihre klare und unironische Verherrlichung. Geh doch, wo Ciao und Dooyoo wohnen, ist man versucht, zu entgegnen, aber da Leserfreundlichkeit hier wie so viele andere Wörter gross geschrieben wird: Hier gehen wir. In manchen Teilen der Welt herrscht ja schon wieder Winter, und die Feuchtigkeitsfeinabstimmung von Wohnungen und ganzen Körperteilen versagt. Anstatt sich mit gleisnerischen Bio-Mandelölprodukten einzucremen, die angeblich sekundenschnell bis in die Knochen einziehen, kann man sich auch mit Neutrogena Handcreme, anders als der Name vermuten lässt, überall da einschmieren, wo es not tut. Das unparfümierte Konzentrat aus reinen Erdölabfällen denkt nicht im Traum daran, einzuziehen, sondern polymerisiert vielmehr im Lauf der nächsten dreissig Minuten allmählich zu einer allersorgenledigmachenden Schutzschicht aus – keine stundenlange Schmierigkeit, kein albernes Nachcremen. Neutrogena sollte vielleicht über eine Werbekampagne entlang der Linien "Ein guter Liebhaber will auch nicht gleich bei dir einziehen" nachdenken. Apropos Liebhaber: In Notfällen und mit Wasser verdünnt taugt die Handcreme auch ganz leidlich als Gleitmittel. Besser wäre natürlich, man hätte sich rechtzeitig mit einem dedizierten Gleitmittel eingedeckt; und auch hier stellt sich heraus, dass man die naturverbundenen Konkurrenzprodukte getrost in der Pfeife (auf Wasserbasis) rauchen kann, vergleicht man sie mit ihren anorganischen Brüdern, den Silikonölen (gängigste Darreichungsform: Eros Bodyglide von Pjur). Die Superness von Silikonöl-Gleitmitteln kann gar nicht genug gepriesen werden: sie trocknen niemals ein, schaden keinem Kondom, schmecken nach nichts und können alles. Nebenbei kann man damit schadlos z.B. sein Fahrrad ölen. Aber bleiben wir noch kurz beim nackten Menschen: Diesen Zustand kann man geschmeidig nutzen, um das Organische noch ein bisschen weiter in seine Schranken zu verweisen: nämlich unter Zuhilfenahme eines kompetenten Chlorreinigers. Kleidung, die man dabei trägt, sieht sonst hinterher aus, als wären die 80er noch nicht ganz zu Ende. Es gibt also gute Gründe für das Nacktputzen, und wer je einem so preiswerten wie tatendurstigen Chlorreiniger dabei zugesehen hat, wie er binnen Sekunden den Abwasch vom vorigen Jahr erledigt, der erkennt, dass es auch gute Gründe gibt, auf Handschonendes, Melisseduftendes mit aussterbenden Tiermotiven zu verzichten. Nachdem es seine Pflicht getan hat, zerfällt das verwendete Natriumhypochlorit übrigens zu unschuldigem Wasser, Sauerstoff und Salz. Einerseits. Andererseits gibt es im Universum vermutlich etwas mehr Anorganisches als Organisches. Ist es da nicht unsere Aufgabe, den Schwächeren zu schützen, den Schimmelpilz in der Dusche zu hätscheln und, ach, Schnauze voll, Sie verlassen jetzt den unironischen Produktverherrlichungssektor.
... 453 454 455 456 457 [458] 459 460 461 462 463 ...
|
IN DER RIESENMASCHINE
ORIENTIERUNG
SO GEHT'S:
- Duftender Gürtelfuss
- Durchreiche
- Interkontinentalfrisbees
- Maulaffen generell
SO NICHT:
- vom Ende der Eulen sprechen
- Totschlagargument Ellipse
- akausale Synchronizität
- penibel aufs Geld achten
AUTOMATISCHE KULTURKRITIK
"Big River", Atsushi Funahashi (2005)
Plus: 11, 53, 54, 55, 56 Minus: 57, 100, 101 Gesamt: 2 Punkte
KATEGORIEN
ARCHIV
|
|