Riesenmaschine

24.11.2005 | 17:11 | Sachen kaufen | Zeichen und Wunder

Neuer Wein in alten Schläuchen


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Selten wurde ein Produkt so schnell entwertet wie der tragbare MP3-Spieler. Inzwischen läuft jeder Spacko mit einem Ipod herum, Distinktionsgewinn via weisser Ohrhörerkabel ist nicht mehr zu erzielen, weil der Ipod Shuffle von wirklich jedem Taschengeld bezahlt werden kann. Hilft also nur die Flucht zurück in das Gegenkonstrukt, das da lautet: Size does matter! Was bedeutet: MP3 – gerne, aber bitte nicht miniaturisiert. Zeit also, sich das inzwischen durchaus abgehangene Rebraun-Objektarium mal wieder genauer anzuschauen.

Für lockere 12.000 Euro bekommt man eine MP3 Jukebox inklusive Server und WLAN, eingebaut in eine alte Braun-Kompaktanlage, deren Design 1962 entworfen wurde und bis heute (bzw. mehr denn je) wegweisend ist. Wem das noch zu stylish ist bzw. wer insgesamt von der Denke her eher dem Saab 9000-fahrenden C4-Professor zuzuordnen ist, der bekommt bei Bootleg-Objects vergleichbare Technik in einem Bang & Olufsen – Retro Design. Fein.


24.11.2005 | 16:12 | Sachen kaufen | Essen und Essenzielles | Vermutungen über die Welt

Le Snack Brainwash


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Auf den ersten Blick ist dieser in einem französischen Kaufhaus erworbene Fernsehsnack ein ganz normales Convenience Produkt: In handliche Stückchen gepresste Fischeiweissmasse, ansprechend verpackt. Doch spätestens beim Verzehr wird klar, dass es sich hier um ein ideologisch hochinteressantes Produkt handelt: Während die extrem leckeren Fischstückchen auf der Zunge zergehen und die Mayonnaise aus ihrem Geheimversteck im unteren Teil der Dose hervorgezerrt wird, vergisst man als Erstes, dass dieses Produkt eigentlich japanischen Ursprungs ist. Nach dem dritten Stück überschreibt "Mini-Bat" das Wort Surimi im Langzeitspeicher des Gehirns. Und beim letzten Bissen hält man es für eine Lüge der Medien, dass in Pariser Vororten Autos angezündet werden. "Jamais!" denkt man sich, während man die Mayonnaisedose ausleckt. "Das ist nicht möglich in einem Land, in dem sogar Fertigmayonnaise eine Garage hat."


24.11.2005 | 14:49 | Anderswo | Alles wird schlechter | Sachen kaufen | Essen und Essenzielles

Der Müsli-Kaiser von China

Traditionell wird im Land der Chinesen (China) schön ungesund gefrühstückt: Süss oder salzig gefüllte Teigbällchen (Bao Zi), mit diversen Ingredienzien aufgepeppter Reisporridge (Zhou), frittierte "Ölstangen" (You Tiao) oder eine schlichte Nudelsuppe (Mian Tang). Dazu reicht man bisweilen wurstartiges, weisses Pappbrot (Mantou).
Offensichtlich passt das der Internationale der Müslifresser und Cerealienfreaks nicht, die traurigerweise auch unter den Riesenmaschineautoren ihre Agenten hat. In China wird sie neuerdings durch die Beijing The Cereal Way Food Technology Development Co. Ltd. vertreten. Seit ein paar Wochen "wirbt" das Unternehmen für ein Produkt, das man ganz unverblümt "Kampfplatz der fünf Getreidesorten" nennt. Auf den Plakaten herrscht der Schauspieler Chen Bao Guo die traditionellen chinesischen Frühstücker an: "Sagt nein zu Frittiertem – bleibt gesund!", andernfalls – so muss man es wohl interpretieren – er ihnen vermittels seines Baseballschlägers die Gesundheit einzuprügeln gedenkt.

Und Chen Bao Guo ist hierzulande nicht irgendeiner. In der 58-teiligen und sechs Millionen US-Dollar teuren TV-Serie "Han Wu Da Di" ("Grosser Han-Dynastie Kaiser Wu") spielt er den Kaiser persönlich, der eigentlich Liu Che (156 – 87 v. Chr.) hiess und den Beinamen Wu für seine kriegerischen Verdienste erhielt. Der Müslifresser – ein lascher Peacenik? Die hiesigen Werber glauben anscheinend, es sei an der Zeit, dieses internationale Trugbild zu korrigieren, respektive in China gar nicht erst aufkommen zu lassen. Dabei haben sie ungewollt sogar Recht, denn letztlich kann man vor dieser gefährlichen Sorte Mensch gar nicht drastisch genug warnen.

Allerdings scheuen die chinesischen Cerealien-Warlords bisher die offene Feldschlacht. Wer die Schriftzeichen in und ums Plakatausrufezeichen genau studiert, wird feststellen, dass es sich beim propagierten "Kampfplatz der fünf Getreidesorten" immer noch um eine Nudelsuppe handelt, allerdings eine, die "Gesunde Instant-Nudeln – 100% nicht frittiert!" enthält. Beruhigend liest sich auch, was die Beijing The Cereal Way Food Technology Development Co. Ltd. sonst noch so unter dem Label "The Cereal Way" vermarkten möchte: Neben Schokolade, Backpulver und Senf auch künstlichen Kaffee, Eiscreme und Mondkuchen. Das nun klingt tatsächlich nach einem richtig leckeren Frühstück.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Lob des Schlabberfrühstücks und des Internets

Christian Y. Schmidt | Dauerhafter Link | Kommentare (4)


23.11.2005 | 19:24 | Alles wird schlechter | Sachen kaufen

Quo vadis, Feuchtigkeitsfeinabstimmung?


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Kaum war mein letzter Riesenmaschinenbeitrag freigeschaltet, da erreichten mich schon wieder neue Produkte aus der vorweihnachtlich zappelig gewordenen Innovationsabteilung der Firma Henkel: die Pril Winter-Edition in der Duftrichtung Vanille + Zimt und das Diadermine Professional Novalift Anti-Age-Set. Das trägt man natürlich gern nach Hause, sintemal das Anti-Age-Set ersichtlich Weiberkram ist, weil die Verpackung in Weiss, Rosa- und Fleischtönen gehalten ist. Bei Männern kommt das sportlicher daher, zum Beispiel in Silber und Orange. Ausserdem altert Männerhaut nicht, sondern wird bloss ein bisschen müde. Meine Hydra Energy Feuchtigkeitspflege (aus dem Hause L'Oreal) heisst jedenfalls "Anti-Müdigkeit". Die Feinabstimmung der Feuchtigkeitsverteilung scheint überhaupt das Top-Thema der Saison zu sein. Während die Haut nicht genug Feuchtigkeit haben kann, verhält sich's anderswo ganz konträr, und schon bringt Henkel den Ceresit-Luftentfeuchter auf den Markt. Jahrzehnte lang haben wir uns mit trockenen Schleimhäuten, Atemwegserkrankungen und der Suche nach hygienischen Luftbefeuchtern herumgeschlagen, die nicht die reinsten Bakterienschleudern sind, und jetzt war's eh die ganze Zeit zuviel? Das ist ja noch schlimmer als mit Aerobic-Trends und Sit Ups: Jahrelang super, dann plötzlich Gift für Gelenke und Wirbelsäule! Auf ein paar Dinge muss sich die Menschheit doch, verdammt noch mal, einigen können, ein paar Fortschritte einfrieren: So, das ist jetzt das Beste, das bleibt so. Man kann doch nicht ewig damit weitermachen, alljährlich eine zusätzliche Klinge in Nassrasierer einzubauen! Mal ehrlich, wackere Leute in den diversen Etagen und Abteilungen von Henkel, habt ihr nicht das Gefühl, bei der Produktinnovation hin und wieder ein bisschen über die Schnur zu hauen? Ich meine, zu Weihnachten soll die Küche nach Vanille, Zimt und Mandelkern riechen, aber doch aus dem Backrohr und nicht aus der Spüle! Und über den Duo Aktiv Grapefruit Fresh Surfer von Schnickschnack-Alessi, Firma Henkel, über den Fresh Surfer müssen wir auch noch sprechen, da muss nachgebessert werden.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Mein Dank an die Firma Henkel

Klaus Nüchtern | Dauerhafter Link | Kommentare (5)


23.11.2005 | 15:58 | Anderswo

Deutsch im Ausland, heute: Südamerika


(Aus historischen Rechteklärungsgründen ist hier kein Bild. Aber im 20 Jahre Riesenmaschine-PDF gibt es entweder ein Bild oder eine Bildbeschreibung.)
Im Rahmen eines grossangelegten Projekts untersucht die Riesenmaschine, was Deutsche im Ausland angerichtet haben. Bisher berichteten wir über den Hitlerhof in Korea und das Oktoberfest in Kanada. Heute nun: Deutschtum in Chile. Landet man im sogenannten Kleinen Süden, dem Land der Pferdebremsen mit dem Flugzeug, so glaubt man zunächst, man wäre in Niedersachsen; fährt man weiter nach Süden, kommt folgerichtig Hessen und später taucht dann das Allgäu am Horizont auf. Deutsche Einwanderer haben es sich im vorletzten Jahrhundert genauso eingerichtet, wie sie es gern haben, und die Reste erzeugen heute den Eindruck, man befände sich im Schwarzwald, nur mit seltsam verschwurbelten Bäumen, Vulkanen, und eben Pferdebremsen. Was ansonsten übrig geblieben ist: "leckerer Kuchen", "Hotel Frau Holle", "das gute Bier", "Cafe Krüger" und Wahlwerbung für "Senadore Kuschel". Und dann taucht noch ein Ort namens "Nueva Braunau" auf (übrigens: Grundstücke zu verkaufen!), was auch immer das zu bedeuten hat.

Nach drei Erdteilen also mal zusammengefasst: Was nach Jahrhunderten Exil vom Deutschen übrig bleibt, also nach gründlichem Zentrifugieren, Absaugen, Durchverdampfen, Trocknen und Schleudern, ist eine relativ unangenehme Mischung aus "Bier", "Gemütlichkeit", "Kuchen" und "Hitler". Das ist der deutsche Schlick, der Bodensatz, der kleinste gemeinsame Nenner (bitte noch weitere Synonyme nach Wunsch einfügen). Und so bleibt am Ende nichts anderes übrig, als zu akzeptieren, dass in uns allen ein schmunzelnder, bärtiger Nazigartenzwerg steckt. Egal, wieviel Berlin-Mitte man drübergiesst.


... 455 456 457 458 459 [460] 461 462 463 464 465 ...

*  IN DER RIESENMASCHINE


*  ORIENTIERUNG



Werbung
Werbung Ratgeber

*  SO GEHT'S:

- Japaner (das Unix unter den Menschen)

- fiktive Küchengeräte (leicht zu reinigen)

- alles Geriffelte (ausser Riffles)

- vor dem Spiegel posen

*  SO NICHT:

- morphogenetisches Feld

- Invasion aus dem All

- Anti-Baggy

- Besuch beim Psychologen


*  AUTOMATISCHE KULTURKRITIK

"Chocolate", Prachya Pinkaew (2008)

Plus: 8, 9, 11, 12, 37, 49, 55, 69, 79, 80, 89, 108
Minus: 1, 26, 90, 113, 143, 158
Gesamt: 6 Punkte


*  KATEGORIEN


*  ARCHIV