Riesenmaschine

31.07.2009 | 13:01 | Berlin | Sachen kaufen | Sachen anziehen | Listen

Immer einer mehr als du

Wer mal sehen möchte, wie ein über viele Jahre gewachsener Binnenwettbewerb mit sich stetig steigernden Alleinstellungsmerkmalen funktioniert, muss einfach den nördlichen Kottbusser Damm besuchen, der dank seiner bunten Boutiquenszene auch als Klein-Mailand bekannt ist – ein Musterbeispiel des "Immer-einer-mehr-als-du"-Marketing, das man in einer solchen Reinform sonst nur vom Klingenkrieg der Nassrasierer und dem Phasenkrieg der Spülmaschinen-Tabs kennt.


Das Kleine Modehaus ist der letzte Vertreter aus einer Zeit, als auf Läden noch drauf stand, was drin ist. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)


Um als Nachzügler den Markteintritt zu schaffen, musste man den etablierten Modeläden etwas entgegensetzen. Der einzigartige Produktvorteil "Paris" sorgte für ein neues Denken auf dem Damm. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)


Der Riesenerfolg der Boutique Paris rief natürlich Me-Too-Anbieter auf den Plan. Doch der Konsument weiss zwischen Original und Kopie zu unterscheiden: Die Sonderposten mussten unlängst schliessen. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)


"Paris ist irgendwie durch", sagten sich einige findige Modekaufleute. "Gibt es nicht noch andere grosse europäische Städte?" Nur wenige Tage Recherche, und schon stand das neue Shopkonzept. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)


These, Antithese, Synthese: Die Two-in-one-Lösung wurde in der Branche als Geniestreich gefeiert. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)


Der Beginn des asiatischen Jahrhunderts sorgt für völlig neue Customer Needs – weil Bollywood Fashion aber auch die traditionsbewusste Paris-London-Fraktion bedient, ist es der aktuelle Place to Be. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)


30.07.2009 | 01:31 | Sachen kaufen | Essen und Essenzielles

Miniralwasser


Theoretisch seit 1996 auf dem Markt, praktisch erst jetzt: die kleine Normbrunnenflasche (gesehen im Kaufpark, Lüdenscheid) (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Wenn irgendeine soziale Innovation die Wunderjahre 1968/69 überdauert und die Gesellschaft nachhaltig verändert hat, dann ist es die Normbrunnenflasche bzw. Brunneneinheitsflasche aus der Feder von Günter Kupetz. Ihr Marsch durch die Institutionen bis hinein ins Politisch-Private war ebenso schleichend wie unaufhaltsam und dauert an. Der Zusammenbruch der sozialistischen Planwirtschaften des Ostblocks schlug sich mit einiger Zeitverzögerung nieder in der Umstellung des Materials von Glas auf PET – was der Grundform mit ihrer handschmeichlerischen Perlstruktur aber nichts anhaben konnte. Sie passte sich an, aber sie liess sich nicht verbiegen. Fast unmerklich wuchs das Volumen dabei von 0,7 auf einen Liter. Nun, passend zur Krise des globalen Kapitalismus, vollzieht sich an ihr eine erneute Metamorphose, wobei die ikonische Form abermals unangetastet bleibt. Die Griffmulde wird enger geschnallt, die Perlflasche kommt – massstabsgetreu verkleinert – als 0,5-Liter-Format im entsprechend nied- und handlicherem 12er-Kasten. Aber ob uns das wirklich davon abhält, ganz auf Leitungswasser umzusteigen?


06.07.2009 | 10:15 | Berlin | Alles wird besser

Design für die anderen 90 Prozent


(Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)

Pfandflaschen in Mülleimer: ziemlich daneben. (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Was passiert, wenn Designer sich nicht länger nur um die Probleme des reichsten Zehntels der Weltbevölkerung bekümmern, sondern zur Abwechslung die vielleicht sogar schwerwiegenderen des grossen Restes in Angriff nehmen? Es entstehen unter anderem so schlichte und nützliche Dinge zur Verbesserung des einfachen Lebens wie die Q Drum oder der LifeStraw. Auch bei uns, im Herzen des zusammenbrechenden Kapitalismus, wären mit diesem Ansatz durchaus sinnvolle Anwendungen vorstellbar.

Leider blieb Holger Jahns Vorschlag, wie man die 30.000 Berliner Mülleimer aufrüsten könnte, damit Bedürftige nicht mehr unwürdig nach Pfandflaschen in ihnen herumstochern müssen, bislang unerhört. Dafür gibt es jetzt einen Workaround in Form nebenstehenden Aufklebers. Immerhin eine Art Anfang.

Schliesslich sind wir in Deutschland dank Dualem System etwa gleichweit entfernt von einer Reparierökonomie à la Uruguay, der Heinzelmännchenwirtschaft von US-Grossstädten, wo man den Hausmüll nach Wertstoffart in durchsichtige Plastiktüten steckt, damit sie sortenrein zur nächsten Sammelstelle gebracht werden können, und dem überragenden SERO-System der DDR. Wenn die Initiative auch kaum etwas gegen die schleichende Verwahrlosung von gefühlt etwa neun Zehnteln der Berliner Wohnbevölkerung auszurichten vermag, könnte sie doch wenigstens zur Bodenbildung bei der Mehrwegquote beitragen.


05.07.2009 | 17:24 | Anderswo | Supertiere | Vermutungen über die Welt

Polizei, Osterei


Beim naturwissenschatlichen Überbau haben wir mal hemmungslos aus der Wikipedia abgeschrieben (Dieses Bild wurde vorsichtshalber entfernt und taucht wieder auf, sobald sich die Autorin oder der Autor um die Klärung der Bildrechte gekümmert hat.)
Schutzmimikry ist eine hübsche Form evolutionärer Anpassung: Tier 1 versucht wie das wehrhaftere und/oder ungeniessbare Tier 2 auszusehen, um von Tier 3 nicht gefressen zu werden. So ahmen beispielsweise Schwebfliegen das Aussehen von Bienen nach und Bockkäfer das von Wespen. Das ist übrigens nicht mit der Mimesis, der Tarnung durch Anpassung an die Umgebung, zu verwechseln.

Das umgekehrte Prinzip ist als Peckham'sche Mimikry bekannt: Hier tarnt man sich, um anzulocken, wie beispielsweise der Seeteufel oder die Orchideengattung Spiegel-Ragwurz, deren Blüten dem Dolchwespenweibchen ähneln und entsprechend von den Wespenmännchen befruchtet werden. Diese Form der aggressiven Mimesis betreibt auch die New Yorker Polizei: Mit harmlosen, nach den Prinzipien des japanischen Kawaii-Designs gestalteten Dreiradrollern patroulliert sie durch die Strassen. Am liebsten möchte man den kleinen Autos Nüsschen geben und sie streicheln, doch dann wird man verhaftet.

Es dürfte einige Generationen dauern, bis sich die Verbrecherpopulation New Yorks an die Veränderungen im Habitat angepasst hat und sie muss aufpassen, nicht in einen evolutionären Flaschenhals zu geraten. Vielleicht wird sie sich Flügel oder einen dritten Daumen wachsen lassen müssen.

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Spionadeversuch und Gogo-Gadgetto-Polizei


28.06.2009 | 07:34 | Anderswo | Papierrascheln | In eigener Sache

Automatische Literaturkritik Preis der Riesenmaschine für Karl-Gustav Ruch


Preisträger Karl-Gustav Ruch
Foto: Angela Leinen
Anderthalb Jahre hatten Autoren und 3sat-Autorenporträt-Teams Zeit, sich mit den öffentlich einsehbaren Kriterien der Automatischen Literaturkritik auseinanderzusetzen. Anderthalb Jahre, in denen offenbar vor allem darüber nachgedacht wurde, wie sich die Minuspunkte der Liste möglichst zahlreich abarbeiten lassen – an sich ein ehrenwertes Verfahren, vergleichbar etwa mit Josef Škvoreckýs "Sins for Father Knox", in dem der Autor mutwillig gegen die zehn von Ronald Knox aufgestellten Regeln für einen fairen Kriminalroman verstösst.

So konnte allein der Minuspunkt "Spiegel, Spiegelungen. Zwei Punkte für zerbrochene Spiegel, Brillengläser etc. (im Text oder im Porträt)" sechs Mal vergeben werden, davon einmal doppelt. Gleichauf lag Minuspunkt 93, "Paarbeziehungsthematik", dicht gefolgt vom fünf Mal fälligen Punkt 95, "Eltern-Kind-Thematik". Der Alison-Bechdel-Pluspunkt ("1. Zwei oder mehr Frauen, die 2. miteinander reden und zwar 3. nicht über einen Mann.") blieb – wie übrigens auch seit Jahren in der Automatischen Filmkritik der Riesenmaschine – ungenutzt.

Aber der Automatische Literaturkritik Preis wird nicht für sportliche Fingerübungen im Ansammeln von Minuspunkten vergeben, auch wenn Wolfgang Herrndorf vorschlug, 2010 vorzeichenunabhängig den höchsten absoluten Punktwert zu prämieren. Der mit 500 Euro und einer schönen Urkunde dotierte Preis geht daher um 10:45 an Karl-Gustav Ruch für seine Erzählung "Hinter der Wand", die mit zwei Pluspunkten den Bewerb für sich entschied. Gegen dieses Ergebnis ist umso weniger einzuwenden, als Ruch einer von nur zwei Autoren ist, die durch Erwähnung von Nagetieren den begehrten Pluspunkt 36 erlangen konnten. Zu Ehren des Autors ergänzt die Redaktion den Kriterienkatalog für 2010 um einen Karl-Gustav-Ruch-Pluspunkt für uncoole Einrichtungsgegenstände im Autorenporträt (hier: Hometrainer).

Knapp abgeschlagen hinter Ruch liegt Ralf Bönt mit 1 Punkt, gefolgt von Caterina Satanik, Andreas Schäfer, Lorenz Langenegger, Karsten Krampitz und Bruno Preisendörfer (je 0 Punkte). Alle Texte sind unter bachmannpreis.eu nachzulesen. Herzlichen Glückwunsch, Karl-Gustav Ruch!

Dieser Beitrag ist ein Update zu: Automatische Literaturkritik Preis der Riesenmaschine für Tilman Rammstedt


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"Brothers of the head", Keith Fulton, Louis Pepe (2005)

Plus: 3, 15, 43
Minus: 1, 14, 74, 90
Gesamt: -1 Punkte


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